Category: Positionen und Beschlüsse

  • KJP-Förderung

    KJP-Förderung

    Vielleicht habt ihr es letzten Freitag mitbekommen: Der Bundeskanzler, der Vize-Kanzler und der Bundesfinanzminister haben sich auf einen Bundeshaushalt für 2025 geeinigt. Wenn dieser Haushalt verabschiedet ist, gib es Klarheit darüber, wofür der Bund, also Deutschland, nächstes Jahr Geld ausgibt. Im Jahr 2025 sollen hier 481 Milliarden Euro investiert und ausgegeben werden. Die Bundesregierung hat in ihrer Einigung auf den Regierungsentwurf explizit benannt, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt zu sichern sei: „Zur Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und für die Demokratie werden weitere Mittel bereitgestellt, ebenso für Freiwilligendienste, den Bundesfreiwilligendienst und den Kinder- und Jugendplan.“ 

    Warum ist diese Nachricht für uns wichtig? 

    Als VCP erhalten wir Fördermittel aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (KJP). In den letzten Jahren waren das 320.000 € für sogenannte bundeszentrale Funktionen. Damit finanzieren wir Arbeitstreffen von Gremien, Fahrtkosten und auch hauptamtliche Stellen. Zusätzlich können wir bis zu 60.000 € für internationale Begegnungen bei Stammes-, Regions-, Landes- und Bundeslagern aus dem KJP abrechnen. Bei einem Haushalt des VCP e.V. von etwa 2,3 Millionen € sprechen wir also über rund 16 % unseres Gesamtbudgets. 

    Außerdem freuen wir uns über weitere Mittel für Freiwilligendienste. In vielen VCP-Ländern, aber auch in der Bundeszentrale oder auf der Burg Rieneck machen junge Menschen ein FSJ oder Bundesfreiwilligendienst und sammeln dort wertvolle Erfahrungen und Orientierung zwischen Schule, Ausbildung und Studium. 

    Hat sich damit nicht auch schon die VCP-Bundesversammlung beschäftigt? 

    Genau! Die Bundesversammlung hat einstimmig das Positionspapier „Jugendarbeit – jetzt erst recht!“ beschlossen. Die Forderungen daraus sind im Wesentlichen: 

    1. Die Erhöhung staatlicher Mittel für Jugendarbeit. 
    2. Die Stärkung von Präventionsarbeit, die frühzeitig ansetzt und Jugendliche für die Gefahren von Extremismus sensibilisiert.
    3. Der Ausbau von Netzwerken zwischen staatlichen Stellen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Schulen und anderen Akteur*innen. 

        Zu diesem Zeitpunkt hatten wir eher mit Kürzungen und weniger mit einer Stärkung der KJP-Mittel gerechnet. In der Bundeszentrale haben wir die Mitglieder des Haushaltsausschusses (mit Ausnahme der AfD) direkt nach der Bundesversammlung angeschrieben. Eigentlich war das Positionspapier auch dafür gedacht, Politiker*innen auf Landes- und Kommunalebene auf die bevorstehenden Kürzungen anzusprechen und zu VCP-Veranstaltungen der verschiedenen Ebenen einzuladen. Diese Dringlichkeit besteht aktuell nicht mehr. 

        Aber: bis der Haushalt als Gesetz beschlossen wird, ist es noch ein weiter Weg. Der Haushalt wird noch an vielen Stellen diskutiert und verändert werden. Die Erklärung der Bundesregierung ist für uns ein gutes Zeichen, aber noch keine sichere Planungsgröße. 

        Unser Appell bleibt bestehen: sucht das Gespräch mit den Mandatsträger*innen demokratischer Parteien aus euren Wahlkreisen und ladet sie zum Lager, Sommerfest oder der Weihnachtsfeier ein! Was dabei zu beachten ist, werden wir im Herbst und rechtzeitig für die heiße Haushaltsplanungsphase und das Bundestagswahljahr bereitstellen. Wenn ihr Fragen oder Ideen dazu habt, könnt ihr euch bei Arno Schäfer in der Bundeszentrale melden.  

      1. DBJR-Beschluss: Für ein starkes EU-Lieferkettengesetz!

        DBJR-Beschluss: Für ein starkes EU-Lieferkettengesetz!

        Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 28./29.10.2022 die Position „Schluss mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Unternehmen – für ein starkes EU-Lieferkettengesetz!“ beschlossen. Damit setzen sich die Jugendverbände für die Umsetzung eines EU-weiten Lieferkettengesetzes ein, um Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten, die Verhinderung von Arbeitnehmer*innen-Ausbeutung und Kinderarbeit sowie zum Schutz von Umwelt und Klima in Produktions- und Lieferprozessen zu verpflichten.

        Wie unternehmerische Wertschöpfungsketten aussehen, ist jungen Menschen nicht egal. Ihnen liegt die sozial-ökologische Transformation und damit die Achtung von Menschenrechten, die Verhinderung von Arbeitnehmer*innen-Ausbeutung und Kinderarbeit sowie der Schutz von Umwelt und Klima in Produktions- und Lieferprozessen am Herzen. Das hat der Bundesjugendring zuletzt in der Position „Sozial-ökologische Verantwortung ernst nehmen – Lieferkettengesetz umsetzen“ deutlich gemacht. Als einem der größten Wirtschaftsräume der Welt ist die Europäische Union in der Verantwortung, diese Werte und Mindeststandards insbesondere auch global an jeder Stufe der Wertschöpfungskette zu stärken und einzufordern.

        Nachdem im Jahr 2021 in Deutschland immerhin das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet worden ist, hat im Februar 2022 auch die EU-Kommission einen Entwurf für ein EU-weites Lieferkettengesetz vorgelegt. Der Bundesjugendring sieht darin eine Chance, die gravierenden Lücken des deutschen Gesetzes auszubessern. Deshalb fordern wir die deutsche Bundesregierung, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die EU-Kommission auf, sich für ein starkes und wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen und den vorliegenden Kommissionsvorschlag entscheidend nachzubessern.

        Dazu gehört aus unserer Sicht, dass:

        • der Anwendungsbereich deutlich mehr Unternehmen und alle Formen von Geschäftsbeziehungen entlang der vollständigen Wertschöpfungskette umfasst und

        • die Schwellenwerte (Mitarbeitenden-Zahl, Umsatz) deutlich niedriger angesetzt werden, damit mehr Unternehmen vom EU-Lieferkettengesetz erfasst werden,

        • die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette als Geltungsbereich erfasst wird,

        • die Beschränkung der Sorgfaltspflicht auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“ aufgehoben wird,

        • die Liste der Risiko- und Finanzbranchen erweitert wird,

        • Berichts-, Dokumentations- und Transparenzpflichten eingeführt werden.

        • klare Sozialstandards an allen Stufen entlang der Wertschöpfungskette einzuhalten sind, unter anderem

          • sollen Unternehmen sich an ein für das jeweilige Produktionsland existenzsicherndes und faires Lohnniveau halten sowie Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern gewährleisten.

          • sollen soziale Sicherungssysteme gefördert werden.

          • sollen Unternehmen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen wahren

          • sollen an dieser Stelle die internationalen Arbeitsstandards heranzuziehen als Standard herangezogen werden.

        • klare umfassende menschenrechts-, umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen gelten müssen und

          • nicht nur eine begrenzte Auswahl an Umweltschäden beachtet werden muss, sondern eine Umwelt-Generalklausel eingeführt wird und die allgemeinen Umweltrechtsprinzipien wie das Vorbeugungs-, Vorsorge-, Beseitigungs- und Verursacherprinzip eingehalten werden,

          • klimabezogene Sorgfaltspflichten enthalten sind, welche die Einhaltung von pariskonformen Treibhausgasemissionsreduktionszielen zum Gegenstand haben, und die Umsetzung der aufzustellenden Klimaschutzpläne der Unternehmen verpflichtend wird,

          • jegliche Form von Zwangsarbeit, ausbeuterischer Kinderarbeit und Arbeit, die die Gesundheit, Sicherheit oder Sittlichkeit eines Kindes gefährdet unterbunden wird.

        • Hürden zur Rechtsdurchsetzung abgebaut werden durch:

          • klare zivilrechtliche Haftungsregeln für Unternehmen,

          • Abbau von Hürden beim Zugang zu Recht, unter anderem durch eine Beweislastumkehr und Prozesskostenhilfe, wie auch ausreichend Zugang zu Informationen,

          • umfassende Klagemöglichkeiten für Betroffene, Gruppen, Verbände, Gewerkschaften und Interessenvertretungen vor allen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten.

        • behördliche Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden und Mindestbeträge für Sanktionen festgelegt werden,

        • der konkrete Ausschluss bei der öffentlichen Auftragsvergabe festgelegt wird,

        • Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflichten immer Betroffene und Stakeholder konsultieren müssen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung von Gruppen, die erhöhte Risiken für Vulnerabilität oder Marginalisierung haben – wie Frauen, Kinder, Arbeitsmigrant*innen und Indigene und dass dabei unter anderem:

          • ein besonderer Fokus auf die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit gelegt wird. Dies umfasst den Schutz vor sexualisierter und geschlechtsbasierter Gewalt, die Gewährleistung von sexuellen und reproduktiven Rechten und geschlechtsspezifische Risiko- und Folgeabschätzungen aller unternehmerischen Tätigkeiten.

          • Arbeitnehmer*innen-Beteiligung in allen Stufen der Lieferkette sichergestellt wird.

          • Beteiligung der betrieblichen Interssenvertretungen sowie Gewerkschaften erfolgt.

        • Unternehmen zur Anpassung ihrer eigenen Einkaufspraktiken und Beschaffungsstrategien angehalten werden.

        Als Bundesjugendring unterstützen wir die Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz, in der über 130 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen sind und sich im Rahmen der Kampagne #yesEUcan für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen. Außerdem fordern wir im Hinblick auf die UN-Verhandlungen über ein Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten die Bundesregierung auf, sich für ein Verhandlungsmandat der Europäischen Union einzusetzen, damit der Prozess auf internationaler Ebene endlich konstruktiv vorangeht.

        Einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen in der Vollversammlung am 28./29.10.2022.

      2. DBJR-Beschluss: Jin, Jiyan, Azadî – Solidarität mit den Protestierenden im Iran

        DBJR-Beschluss: Jin, Jiyan, Azadî – Solidarität mit den Protestierenden im Iran

        Jin, Jiyan, Azadî – Frauen, Leben, Freiheit. Diese Parole ertönt zurzeit in vielen Medien und auf allen Straßen weltweit. Der Ursprung liegt dabei in der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung und ist dort bereits seit Jahrzehnten in allen politischen Strömungen wiederzufinden.

        Erst seit der Islamischen Revolution von 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften für Frauen. Die Ermordung der jungen Kurdin Jîna Amini (22) sorgte weltweit für Aufmerksamkeit und eine Protestbewegung explizit im Iran. Laut Medienberichten hat die sogenannte iranische Sittenpolizei entschieden, sie habe ihren Hijab nicht ordnungsgemäß getragen, sie deshalb in Teheran verhaftet und auf ein naheliegendes Polizeirevier gebracht. Vor Ort wurde Jîna Amini mehrere Stunden festgehalten und wenig später in ein Krankenhaus eingeliefert. In diesem wurden Hirnblutungen festgestellt, die nachweislich auf äußerliche Gewalteinwirkung zurückzuführen ist.

        Unabhängige Berichte decken auf, dass Jîna sowohl im Gefangenentransporter als auch auf der Polizeiwache geschlagen und misshandelt wurde. Diese Tatsache wurde bewusst vom Mullah-Regime verschleiert. Die Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft reagierten mit Entsetzen auf ihren Tod. Es kommt weltweit und insbesondere in ganz Kurdistan und dem Iran zu Demonstrationen. Auf diese Proteste reagiert das herrschende Mullah-Regime mit äußerst brutaler Gewalt und Kriminalisierung der Bewegung, bzw. der Menschen, die sich ihr anschließen. Es kam und kommt zu weiteren Verfolgungen, Verschleppungen und Ermordungen von Menschen – insbesondere jungen Frauen – die für ihre Freiheit kämpfen.

        Wir verurteilen diese willkürlichen, immer brutaler werdenden Gewaltexzesse und tausendfachen Festnahmen durch iranische Sicherheitskräfte aufs Schärfste. Wir erklären uns solidarisch mit den Protestierenden und Streikenden im Iran, die ihr Leben riskieren, um für Selbstbestimmung, die Sichtbarkeit von Frauen, die Umsetzung der Menschenrechte und gegen patriarchale Herrschaftslogiken kämpfen. Unsere Solidarität gilt genauso allen Protestierenden aus der iranischen Diaspora in der Bundesrepublik und weltweit, die sich, trotz der möglichen Konsequenzen für Verwandte, den Protesten anschließen. Wir fordern die Menschen dazu auf, Jîna Amini bei ihrem richtigen Namen zu nennen, denn aktuell ist es zum Beispiel im Iran nicht erlaubt, offiziell kurdische Namen zu tragen, und der systematischen Unterdrückung und Leugnungspolitik des iranischen Regimes entgegenzuwirken.

        Wir sind der Meinung: Nur durch friedlichen und konstruktiven Dialog kann eine langfristige Lösung geschaffen werden. Wir verurteilen jegliche Gewalt und fordern die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen dazu auf, die Menschen in Kurdistan und im Iran in ihrem Bestreben nach Frauenrechten und Freiheit zu unterstützen! Es ist für uns ein zentrales Anliegen, das Recht der
        Völker auf Selbstbestimmung zu respektieren und zu fördern, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen und die Region und den Nahen Osten zu stabilisieren.

        Die Bundesregierung muss im Rahmen ihrer feministischen Außenpolitik einen besonderen Fokus auf die Überwindung unmittelbarer und struktureller Gewalt gegenüber Frauen und weiteren marginalisierten Gruppen legen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, folgende Forderungen konsequent zu vertreten und um deren Unterstützung bei den Regierungen der Mitgliedstaaten der EU zu werben.

        Wir fordern:

        • Druck auf das iranische Regime aufzubauen, Demonstrationen zuzulassen und jegliche Form von Gewalt an Demonstrant*innen zu unterlassen,

        • allen Menschen, ob Kurd*innen, Iraner*innen, Belutsch*innen, Afghan*innen, Aserbaidschaner*innen, Ezid*innen und allen anderen Völkern in Kurdistan und im Iran muss ein Leben in Freiheit ermöglicht werden,

        • ein Ende der Gewalt gegen die Bevölkerung und ein Ende der Angriffe auf Kurdistan und kurdische Einrichtungen,

        • die Freilassung aller Frauen und weiterer Personen, die verurteilt wurden, weil sie Gleichberechtigung fordern oder in Folge der Proteste inhaftiert wurden,

        • den couragierten Protest der iranischen Zivilgesellschaft zu unterstützen sowie den Stopp aller Hinrichtungen im Iran,

        • einen bundesweiten Abschiebestopp in den Iran,

        • erleichterte Aufnahmebedingungen für politisch Verfolgte,

        • strengstmögliche Sanktionen gegenüber der politischen Elite und ihrer Kollaborateur*innen im Iran zu beschließen (unter möglichst geringem Schaden der Bevölkerung),

        • alternative Internetzugänge zu fördern, um die Zivilbevölkerung im Iran zukünftig vor einer Isolierung von der Weltgemeinschaft zu schützen,

        • keine öffentlichkeitswirksamen Treffen von Repräsentant*innen des deutschen Staates mit Vertreter*innen des Regimes zuzulassen, weil diese von dem Regime zu Propagandazwecken und zur Legitimierung seiner Politik missbraucht werden.

        Wir fordern junge Menschen in Deutschland auf, sich zu informieren und zu solidarisieren! Die Proteste begannen mit dem Aufschrei junger Menschen und werden jetzt von der gesamten Bevölkerung getragen.

        Jin, Jiyan, Azadî!

        Einstimmig beschlossen in der DBJR-Vollversammlung am 28./29.10.2022.

      3. DBJR-Beschluss: Migrationspolitik ist Jugendpolitik

        DBJR-Beschluss: Migrationspolitik ist Jugendpolitik

        Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 28./29.10.2022 die Position „Migrationspolitik ist Jugendpolitik – Jugendverbände und Jugendringe als Akteure der Migrationspolitik anerkennen und einbeziehen“ beschlossen.

        Mehr als ein Drittel aller jungen Menschen in Deutschland hat heute nach Angaben des Statistischen Bundesamts einen sogenannten Migrationshintergrund.1 Je jünger die Altersgruppe, desto höher der Anteil. Diese Entwicklung hält seit Jahren an. Als selbstorganisierte Interessensvertretungen junger Menschen in Deutschland ist Migration für uns als Jugendverbände und Jugendringe daher ein Querschnittsthema für unsere jugendpolitische Arbeit. Anders formuliert: Jugendpolitik und Migrationspolitik gehören untrennbar zusammen.

        Für unsere politische Arbeit ergeben sich daraus folgende Anliegen und Forderungen:

        • Jugendverbände und Jugendringe als Akteure der Migrationspolitik anerkennen und beteiligen

        • (Post)migrantische Jugendverbände gezielt fördern und stärken

        • Wahlrecht auf alle (jungen) Menschen mit Lebensmittelpunkt Deutschland ausweiten

        • Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren

        • Strukturelle Diskriminierung bekämpfen – sozial-ökonomische Teilhabe junger Menschen verwirklichen

        • Mehrsprachigkeit junger Menschen als Normalität anerkennen und als Kompetenz fördern

        Jugendverbände und Jugendringe als Akteure der Migrationspolitik anerkennen und beteiligen

        Die Konsultation zivilgesellschaftlicher Organisationen, vor allem von (post)migrantischen, neuen deutschen und Migrant*innenselbstorganisationen sowie Zusammenschlüssen von BIPoC2, im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik hat sich auf Bundes-, aber auch auf Landes- und kommunaler Ebene zunehmend etabliert. Eine Vielfalt von Netzwerken bündelt die Stimmen dieser Akteur*innen gegenüber Entscheidungstragenden in Politik und Verwaltung. Das ist das Verdienst jahr(zehnt)elangen Engagements von Einzelpersonen, Vereinen und Verbänden. Hierbei sind jedoch selbstorganisierte Jugendorganisationen immer noch unterrepräsentiert.

        Angesichts der demografischen Entwicklungen müssen besonders auch Jugendverbände in diesem Kontext auf allen politischen Ebenen noch sehr viel mehr als bisher als Akteure der Migrationspolitik anerkannt und entsprechend einbezogen werden. Sie sind etablierte Strukturen, in denen Kinder und Jugendliche selbstorganisiert zusammenkommen, ihre Bedarfe artikulieren, Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen. Besondere Berücksichtigung muss dabei Jugendverbänden zukommen, die im Bereich Migration einen verbandlichen Schwerpunkt setzen und/oder sich explizit als Migrant*innenjugendselbstorganisationen, (post)migrantische bzw. neue deutsche Jugendorganisationen oder als Zusammenschlüsse von BIPoC verstehen.

        (Post)migrantische Jugendverbände gezielt fördern und stärken

        Auf Bundesebene werden seit 2013 ausgewählte Migrant*innenselbstorganisationen, (post)migrantische und neue deutsche Organisationen sowie Zusammenschlüsse von BIPoC gezielt in ihrer strukturellen Entwicklung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) gefördert. Ziel dieser Strukturförderung ist es, sie in ihrer Rolle als Ansprechpartner*innen und Interessenvertretungen für Verwaltung und Politik auf Bundesebene zu stärken und ihre Expertise für die bundesweite Migrationspolitik nutzbar zu machen. Finanzielle Förderung und professionelle Organisationsentwicklung wirken hier zusammen.3

        Angesichts der anhaltenden demografischen Entwicklung braucht es innerhalb des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) sowie der entsprechenden Förderinstrumente auf Landes- und kommunaler Ebene eine dem BMI-Ansatz vergleichbare Förderung. Der Bundesjugendring setzt sich dafür ein, dass im Bundeshaushalt hierfür zusätzliche Mittel für den KJP bereitgestellt werden. Nur durch verlässliche finanzielle Zuwendungen und begleitende Unterstützungs- und Qualifizierungsmaßnahmen können (post)migrantische Jugendverbände eine bundesweite – das heißt auch strukturschwache Regionen und Bundesländer abdeckende – Infrastruktur etablieren. Einen erhöhten strukturellen Nachholbedarf gibt es in den östlichen Bundesländern. Gezielte Förderung ist die Voraussetzung dafür, dass (post)migrantische Jugendverbände in ganz Deutschland attraktive Angebote für ihre Zielgruppen gewährleisten können und in der Lage sind, gegenüber Dritten ihre Rolle als Interessenvertretungen zu von ihnen selbst gewählten Themen effektiv wahrzunehmen.

        Grundsätzlich braucht es im Kontext einer (post)migrantischen Gesellschaft einen machtkritischen Blick auf Voraussetzungen und Rahmenbedingungen staatlicher Fördermittelvergabe. Förderstrukturen müssen so gestaltet werden, dass in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft auch neue Selbstorganisationen ihren Platz in der Zivilgesellschaft finden können.

        Wahlrecht auf alle (jungen) Menschen mit Lebensmittelpunkt Deutschland ausweiten

        Politische Teilhabe kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Aber das Wahlrecht ist von herausragender Bedeutung für die demokratische Mitgestaltung. Während Jugendverbände und Jugendringe schon lange die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre fordern4, bleibt weiterhin ein großer Teil der Bevölkerung ausgeschlossen: In Deutschland sind auf Bundesebene über 12 % der Bevölkerung – das heißt über 10 Millionen Menschen – nicht wahlberechtigt, weil sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Selbst in Deutschland lebende EU-Bürger*innen dürfen nur an Kommunal- und Europawahlen teilnehmen. Allen anderen Drittstaatsangehörigen – also fast 6 Millionen Menschen ohne Staatsbürgerschaft eines EU-Landes – ist jegliche demokratische Mitbestimmung versagt5. Im europäischen Vergleich ist Deutschland damit bei der Gewährung des Wahlrechts besonders streng. Diese Diskrepanz zwischen Bevölkerung und Wählerschaft ist unhaltbar.

        Die Knüpfung des Wahlrechts an die Staatsangehörigkeit muss aufgehoben werden. Wer seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, muss Einfluss auf sein Lebensumfeld nehmen können. Die genauen Voraussetzungen, unter anderem die Mindestaufenthaltsdauer, sind gesetzlich zu regeln. Deutschland ist Einwanderungsland und muss sein Wahlrecht an diese Realität anpassen. Aktuell bilden Parlamente, Parteien und migrationspolitische Rahmenbedingungen diese Realität nicht ansatzweise ab. Rechtsextremistische und rassistische parlamentarische Akteur*innen agieren in dem Wissen, dass viele der betroffenen Personen ihnen nicht an der Wahlurne antworten können. Die Ausweitung des Wahlrechts ist notwendig für die Stärkung unserer Demokratie.

        Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren

        Das Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht passt nicht zur gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Es steht im Widerspruch zu den Lebensrealitäten vieler junger Menschen, die hier geboren sind, ihre ganze oder große Teile ihrer Kindheit und Jugend hier verbracht haben und keinen anderen Lebensmittelpunkt als Deutschland kennen – aber dennoch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. (Ketten)Duldung, ungeklärte Aufenthaltssituation oder Ähnliches bedeuten für junge Drittstaatsangehörige, jederzeit aus der eigenen Lebenswelt abgeschoben werden zu können. Wir sind gegen Entrechtungsgesetze, Sanktionsmaßnahmen und jahrelange Rechtsunsicherheiten, die junge Menschen und ihre Familien belasten oder sogar voneinander getrennt halten. Fehlende Langzeitperspektiven sowie fortwährender behördlicher Druck produzieren Unsicherheit und Stress, kosten Zeit und Energie – mit negativen Auswirkungen auf (mentale) Gesundheit und Zukunftschancen junger Menschen.

        Jungen Menschen mit Lebensmittelpunkt in Deutschland muss der Weg zu einem gesicherten Aufenthaltsstatus und auch zu einer schnellen und einfachen Einbürgerung offenstehen. Auf Wunsch müssen bisherige Staatsangehörigkeiten beibehalten werden dürfen. Die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen und Verfahren für den Aufenthalt und die Einbürgerung in Deutschland müssen dazu grundsätzlich reformiert und modernisiert werden. Alle in Deutschland lebenden jungen Menschen müssen gleichberechtigten Zugang zu Rechten, Chancen und Sozialleistungen haben. Die UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, gehört vollumfänglich umgesetzt und ihre Verankerung im Grundgesetz muss folgen.

        Strukturelle Diskriminierung bekämpfen – Sozial-ökonomische Teilhabe junger Menschen verwirklichen

        Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen wächst seit Jahren kontinuierlich an, obwohl der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung gleichbleibend niedrig ist. Besonders betroffen sind junge Menschen in der Altersgruppe von 18 Jahren bis Mitte 20; also in der Lebensphase, die von systemischen Übergängen in Ausbildung, Studium oder Beruf geprägt ist und oft Ortswechsel mit sich bringt6. Grund ist vor allem die politisch verankerte Knüpfung der Startchancen junger Menschen an ihre familiäre Situation. So werden soziale Ungleichheiten schon in jungen Jahren fortgeschrieben und verstärkt.

        Junge Menschen mit Migrationsbiografie sind in ihrer sozial-ökonomischen Teilhabe zusätzlich benachteiligt, weil sie struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind: im Bildungswesen, am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, durch Behörden, am Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen sowie bei Alltagsgeschäften und in ihrer Freizeit. Schlechte Empfehlungen durch Lehrer*innen, nicht anerkannte Bildungs- und Berufsabschlüsse sowie eine fehlende Arbeitserlaubnis sind nur einige Beispiele dafür, wie die Teilhabe junger Menschen mit Migrationsbiografie aktiv und langfristig verhindert wird.

        Es ist daher dringend notwendig, dass es auf allen politischen Ebenen wirksame Antidiskriminierungsgesetze gibt, diese gegenüber staatlichen Institutionen und der Privatwirtschaft konsequent umgesetzt und bei Bedarf rasch nachgeschärft werden. Es muss politisch sichergestellt werden, dass junge Menschen in Deutschland dieses Recht auf Schutz vor Diskriminierung auch effektiv einfordern können, damit ihre Teilhabe vollumfänglich verwirklicht werden kann.

        Mehrsprachigkeit junger Menschen als Normalität anerkennen und als Kompetenz fördern

        Immer mehr junge Menschen in Deutschland wachsen mehrsprachig auf7. Viele Familien haben andere Familiensprachen als Deutsch. Häufig machen Kinder und Jugendliche die Erfahrung, dass ihre Mehrsprachigkeit als Defizit gelabelt und primär als Herausforderung für künftige Bildungserfolge gesehen wird. Das gilt vor allem, wenn es sich bei den Familiensprachen um nicht-westeuropäische Sprachen handelt. Diese Stigmatisierung von Sprachen ist diskriminierend und wirkt sich negativ auf das Selbstbild junger Menschen aus.

        In allen gesellschaftlichen Bereichen – am Arbeitsmarkt, in Behörden sowie im Gesundheits- und Bildungswesen etc. – muss Mehrsprachigkeit als Normalität und Kompetenz anerkannt werden. Bei Bedarf müssen in diesen Kontexten professionelle Dolmetscher*innen oder Sprachmittler*innen bereitgestellt werden. Besonders im von den Bundesländern verantworteten Bildungswesen muss Mehrsprachigkeit fester Teil der Bildungskonzepte sein und herkunftssprachlicher Unterricht flächendeckend angeboten werden, damit junge Menschen ihre Sprachkompetenzen vollumfänglich ausbilden können (Multiliteralität). Lehrpersonal muss standardmäßig für den Wert von Mehrsprachigkeit sensibilisiert werden und diese als Ressource wahrnehmen.

        Einstimmig bei 6 Enthaltungen beschlossen in der DBJR-Vollversammlung am 28./29.10.2022.

        1 https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/150599/bevoelkerung-mit-migrationshintergrund-nach-alter/

        2 https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/people-of-color-poc/

        3 https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/integration/migrantenorganisationen/migrantenorganisationen-node.html

        4 https://www.dbjr.de/xtra/wahlaltersenken

        5 https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Infopapier_Vielfalt_in_der_Politik.pdf und
        https://mediendienst-integration.de/integration/politische-teilhabe.html

        6 https://www.jugendgerecht.de/eigenstaendige-jugendpolitik/debatten-dialog/arme-jugendliche-von-der-politik-vergessen-/

        7 https://mediendienst-integration.de/integration/mehrsprachigkeit.html

      4. DBJR-Beschluss: Aufarbeitung in der Jugend(verbands)arbeit

        DBJR-Beschluss: Aufarbeitung in der Jugend(verbands)arbeit

        Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 28./29.10.2022 die Position „Aufarbeitung in der Jugend(verbands)arbeit. Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Herausforderungen von Jugendarbeit im Kontext von Aufarbeitungsprozessen sexualisierter Gewalt und von Machtmissbrauch“ beschlossen.

        Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) beschäftigt sich strukturiert mit den jeweiligen Aufarbeitungsprozessen sexualisierter Gewalt und von Machtmissbrauch in der Jugend(verbands)arbeit. Dabei werden die Unterschiedlichkeiten der zur Verfügung stehenden Strukturen und Ressourcen besonders betrachtet.

        Hierfür wird durch den Bundesjugendring für die Mitgliedsorganisationen im Jahr 2023 ein erstes Informations- und Austauschformat organisiert. Mit diesem soll außerdem der Dialog und die Vernetzung der Expert*innen und Verantwortungsträger*innen der Jugendverbände und -ringe für die Thematik gefördert werden, sodass Synergien effektiv genutzt werden können.

        Dies dient als Auftakt für die längerfristige und innerhalb der bestehenden Strukturen inhaltlich verankerte, gemeinsame Auseinandersetzung mit den institutionellen Voraussetzungen sowie den gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen und finanziellen Folgen von Aufarbeitungsprozessen für Jugendorganisationen im Bundesjugendring.

        Zudem ist das Ziel, politische Forderungen zur Deckung der ermittelten Unterstützungsbedarfe zu entwickeln. Dadurch wird die Grundlage für die Definition der Rolle des Bundesjugendrings in der externen politischen Interessensvertretung und Vermittlung der gesamtgesellschaftlichen Relevanz dieser Thematik gelegt.

        Einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen in der DBJR-Vollversammlung am 28./29.10.2022.

      5. DBJR-Position: Adultismus erkennen und Strategien zur Gleichberechtigung entwickeln

        DBJR-Position: Adultismus erkennen und Strategien zur Gleichberechtigung entwickeln

        Der DBJR-Hauptausschuss hat am 14.09.2022 die Position „Adultismus als eine der ersten erlebten Diskriminierungsformen junger Menschen erkennen und Strategien zur umfassenden Gleichberechtigung von Kindern und Jugendlichen entwickeln“ beschlossen:

        Oftmals gehen wir aufgrund des Alters eines Menschen davon aus, zu wissen, was ein Mensch kann, nicht kann und ist. Wir haben vorgefertigte Bilder von „Jugend“ im Kopf, wie „Jugend“ ist und die damit verbundene Interpretation. Wir leben in einer Gesellschaft, die ihre Mitglieder nach Alterszugehörigkeit einteilt und in verschiedener Hinsicht, etwa in den Bereichen Rechte, Pflichten, Teilhabe und zugeschriebene Bedürfnisse, klar zwischen Altersgruppen unterscheidet.

        Bei dieser Einteilung der Gesellschaft nach Alter werden aber nicht nur Unterschiede aufgrund biologischer Entwicklungsprozesse abgebildet. Sondern es wird zusätzlich eine Ungleichheit auf Basis von nicht belegbaren Zuschreibungen konstruiert, die untrennbar mit weiteren Dimensionen sozialer Ungleichheit verknüpft ist. Diese Form der Diskriminierung nennt sich Adultismus und sie wird vor allem von Kindern und Jugendlichen erlebt.

        Adultismus als eine der ersten erlebten Diskriminierungsformen ist vielfach auf das Machtverhältnis in der Beziehung zwischen Erwachsenen und Jugendlichen zurückzuführen und fast jeder Mensch hat sie bereits erlebt.

        Die Diskriminierung von jungen Menschen hat unterschiedliche Erscheinungsformen und äußert sich zum Beispiel in einer herabsetzenden Sprache, in alltäglichen, physischen und psychischen Grenzüberschreitungen, im Machtgefüge in Familien, im mangelnden Respekt, in der Stigmatisierung bestimmter Altersgruppen oder in fehlenden Beteiligungsmöglichkeiten und -rechten in Schule und Politik.

        Die Erfahrung von Adultismus begünstigt andere Formen von Diskriminierung. Junge Menschen haben gelernt, was Unterdrückung bedeutet. Die gelernte Unterdrückung durch erwachsene Menschen selbst anzuwenden, ist ein nachvollziehbares Verhalten, dass sich möglicherweise reproduziert.

        Was zu tun ist – eine adultismuskritische Haltung entwickeln

        Es ist notwendig, sich mit gängigen Vorurteilen gegenüber Kindern und jungen Menschen auseinanderzusetzen, die Normen, Werte und Regeln sowie das Bild von Jugendlichen zu hinterfragen und persönliche wie gesellschaftliche Werte und Normen neu zu definieren. Ebenso ist die Reflexion von selbst erlebtem Adultismus Voraussetzung dafür, sich der eigenen Macht gegenüber Kindern und Jugendlichen bewusst zu werden.

        Deshalb fordert der Bundesjugendring:

        • von Politik und Gesellschaft, Adultismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen erfassen und erkennen zu lernen. Gerade die Erfahrungen aus der Pandemie und die fehlende Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Entscheidungen bei gleichzeitiger Reduzierung der Persönlichkeiten junger Menschen auf Schüler*innen und der Bedarfe innerhalb des Schulbetriebes beweist die Notwendigkeit dieser Erkenntnisse.

        • von Politik und Gesellschaft, sich gegen die Diskriminierung junger Menschen sowie für umfassende Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Wir als Vertreter*innen der Jugendverbandsarbeit wollen hier mit Best Practice-Projekten Unterstützung leisten.

        • die Bundesregierung auf, Strategien für eine strukturelle Gleichberechtigung junger Menschen in der Gesellschaft zu erarbeiten.

        • die Bundesregierung auf, eine kritische Perspektive Adultismus gegenüber in ihr politisches Handeln aufzunehmen.

        Einstimmig bei 2 Enthaltungen beschlossen im Hauptausschuss am 14.09.2022.

         

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/adultismus-erkennen-und-strategien-zur-gleichberechtigung-entwickeln

      6. Position: Gemeinnützige Orte der Jugendarbeit zukunftssicher machen

        Position: Gemeinnützige Orte der Jugendarbeit zukunftssicher machen

        Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten, die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, der Deutsche Bundesjugendring, die Deutsche Sportjugend und die weiteren Träger von gemeinnützigen Orten der Jugendarbeit begrüßen die Ankündigung des Investitionsprogramms im Koalitionsvertrag:

        Jugendbildungsstätten und gemeinnützige Übernachtungs- und Freizeitstätten sind zentrale Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. Sie sind unverzichtbare Orte für Jugendbildung, Jugendreisen bzw. die Kinder- und Jugenderholung (vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 5 SGB VIII) als wichtigem gestaltbaren Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit. So werden viele Angebote der außerschulischen (politischen) Jugendbildung in Jugendbildungsstätten unterbreitet oder von Jugendbildungseinrichtungen verantwortet.[1] Solche Räume der Jugendarbeit werden dabei nicht nur von Jugendbildungsstätten oder anerkannten Träger*innen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 75 Abs. 1 SGB VIII alleine ermöglicht. Vielmehr sind es auch gerade all jene gemeinnützigen Freizeitstätten wie Zeltplätze oder Gruppenhäuser auch ohne Bettenbetrieb, die ein wichtiges Fundament von bundesweiter Kinder- und Jugendarbeit bieten.

        Wir nehmen die Ankündigung im Koalitionsvertrag („Wir wollen das Investitionsprogramm für Familien- und Jugendbildungsstätten fortführen“) zum Anlass, die Notwendigkeit eines solchen Programms zu unterstreichen. Wir möchten damit Anregungen geben, wie „Mehr Fortschritt wagen“ gelingen kann. Unterschiedliche Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten haben zu einem Rückgang der Zahl entsprechender Einrichtungen geführt. Zugleich wurde ein Investitionsbedarf bei zahlreichen verbliebenen Einrichtungen wegen gestiegener Anforderungen sichtbar.

        Die Bedeutung der außerschulischen (politischen) Jugendbildung hebt der 16. Kinder- und Jugendbericht hervor, der den Handlungsbedarf hier am Beispiel der Jugendbildungsstätten verdeutlicht. Darin hält die Bundesregierung der 19. Legislatur fest: „Die Bundesregierung nimmt wahr, dass Jugendbildungsstätten in den letzten Jahren geschlossen wurden. […] Die Bundesregierung hält Jugendbildungsstätten für sehr wichtige Anbieter, die unbedingt erhalten werden sollten.“[2] Der Bericht selber stellt einen massiven Rückgang diesen Einrichtungstyps fest [3, 4, 5] Ursächlich dafür ist vor allem der jahrelange Rückgang der öffentlichen Förderung in den Bereichen Kinder- und Jugenderholung bzw. Jugendreisen, außerschulischer Jugendbildung und insbesondere in der Investitionsförderung. Diese Einrichtungen als infrastrukturelles Rückgrat der Jugendarbeit sehen sich einem regelrechten „Häusersterben“ gegenüber. Gleichzeitig ist die über Jahrzehnte mühsam aufgebaute Infrastruktur durch den erheblichen Investitionsstau in ihrer Substanz bedroht.

        Brechen Jugendbildungsstätten und andere gemeinnützige Übernachtungs- und Freizeitstätten in Deutschland weg, brechen Orte weg, an denen junge Menschen sich entwickeln, sie notwendige Gruppenbindung und soziale Bezüge zu anderen entwickeln und ausbauen, sie ihre Position in der Gesellschaft finden können – und dies unabhängig vom Einkommen oder ihrer sozioökonomischen Situation. Diese Orte sind in ihrer deutschlandweiten Gesamtstruktur die zentrale bauliche Basis zur Gewährleistung der Kinder- und Jugendhilfe und damit insgesamt gesehen von wesentlichem bundesweitem Interesse.

        Es ist deswegen folgerichtig, dass Bundestag und Bundesregierung während der Pandemie mit dem „Sonderprogramm Kinder- und Jugendbildung, Kinder- und Jugendarbeit“ dazu beigetragen haben, die gemeinnützigen Lernorte mit Übernachtungsbetrieb zu unterstützen, um ihre Existenz während der Pandemie zu sichern. Dadurch, dass das Sonderprogramm nun 2022 nicht fortgeführt wird, wird die zukunftsfähige Gestaltung der Einrichtungen erschwert, da diese zusätzlich unter den pandemiebedingten finanziellen Einschnitten leiden.

        Durch die Auswirkungen der Pandemie ist dabei spätestens offensichtlich geworden, dass viele gemeinnützige Übernachtungs- und Freizeitstätten nicht zukunftsfähig aufgestellt sind, gleichzeitig aber vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen. Die Notwendigkeit energetischer Sanierungen, die Schaffung inklusiver Angebote und die damit verbundenen baulichen Veränderungen sowie die Digitalisierung sind hierbei insbesondere zu nennen.

        Darüber hinaus ist auch grundsätzlich zu berücksichtigen, dass sich die Anforderungen an Lernen, Bildung, Freizeit und Austausch stark verändert haben. Um für Kinder und Jugendliche attraktiv zu bleiben und ihren Bedürfnissen zu entsprechen, sind auch hier Investitionen in die Ausstattung von Räumen, der Einrichtung mit Mobiliar, der Gestaltung von Freizeitmöglichkeiten etc. mitzudenken.

        Klimaschutz/Nachhaltigkeit: Die größten baulichen und infrastrukturellen Anforderungen an die Einrichtungen werden durch die zuletzt mit den im Koalitionsvertrag ausgerufenen politischen Zielen im Hinblick auf die Energiewende und den sich daraus ergebenden energetischen Sanierungsbedarfen gestellt. Um auch zukünftige Anforderungen an die Energieeffizienz und Energieversorgung von Gebäuden zu gewährleisten und um den Forderungen junger Menschen zu folgen, bedarf es einer umfassenden baulichen Sanierung auf höchsten energetischen Standards. Die existierenden Förderprogramme für eine energetische Sanierung stellen durch die Vorgabe eines hohen Eigenanteils regelmäßig eine unüberwindbare Hürde für gemeinnützigen Einrichtungen dar. Die vielen Gebäude, Gelände und Dächer der Einrichtungen können einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten, um Deutschland dezentral mit Energie zu versorgen und unabhängiger von fossilen Energiequellen zu machen.

        Inklusion/Barrierefreiheit: Dies gilt ebenso für die mit der Novelle des § 11 Abs. 1 S. 3 SGB VIII eingeführte Erwartung des Gesetzgebers an gemeinnützige Einrichtungen, inklusive Zugänge zu schaffen und, damit verbunden, barrierefreie Angebote bereitzuhalten. Dies spiegelt gleichzeitig die Erwartungshaltung junger Menschen sowie die des Koalitionsvertrages wider.[6] Die Schaffung inklusiver Zugänge erfordert oft einen erheblichen baulichen Eingriff in die bestehenden Strukturen, welcher insbesondere die vielen Einrichtungen in denkmalgeschützten Bauten vor besondere Herausforderungen stellt.

        Digitalisierung: Auch die Methoden und Bildungsformate verändern sich unter dem Einfluss der Digitalisierung und eröffnen neue Möglichkeiten im Bereich Lernen und Bildung. Die Pandemie hat zusätzlich als Katalysator gewirkt und das Digitalisierungstempo erhöht. Die Erwartungen an diese Einrichtungen im Bereich der Digitalisierung übersteigen die eigenen Mittel für die erforderlichen Maßnahmen deutlich.

        Diese drei Themenfelder zeigen den großen Handlungsbedarf, um die politischen und gesetzlichen Ziele für zukunftsfähige Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit zu erreichen. Bei der Umsetzung dieser dringend erforderlichen Maßnahmen sind auch die in den letzten Jahren deutlich gestiegenen grundsätzlichen Anforderungen an gemeinnützige Übernachtungsstätten etwa im Bereich Brandschutz, Sanitärschlüssel, Hygiene und Trinkwasservorgaben zu berücksichtigen.

        Wirtschaftlich wäre es dabei nicht vertretbar, Investitionen beispielsweise nur zum Zwecke der klimaneutralen Sanierung zu fördern, ohne dabei gleichzeitig einen Umbau hin zur barrierefreien Gestaltung des Gebäudes zu ermöglichen. Um mehrfache Baukosten zu vermeiden, bedarf es für die verschiedenen Investitionsbereiche eine einheitliche Gesamtförderung. Aufgrund des Umfangs der erforderlichen Maßnahmen muss explizit auch der Neubau von Gebäuden förderfähig sein, sofern dies bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung im Einzelfall kosteneffizienter ist.

        Diese großen gesellschaftspolitischen Veränderungen und politischen Zielvorgaben können die gemeinnützigen Einrichtungen nicht alleine bewältigen. Rücklagen – soweit für gemeinnützige Einrichtungen erlaubt und vorhanden – waren aufgrund der notwendigen sozialen Preisgestaltung gering und sind aufgrund der Coronapandemie aufgebraucht oder konnten nicht gebildet werden. Die Bildung neuer Rücklagen für dringend nötige Investitionen war aufgrund der Einnahmeausfälle und kaum möglich. Die Generierung von Eigenmitteln für Investitionen ist auch unabhängig von derzeitigen Preissteigerungen für gemeinnützige Einrichtungen in aller Regel kaum möglich.

        Die gemeinnützigen Einrichtungen sind nur mit einem Förderprogramm, das auf Eigenmittel weitestgehend verzichtet, in der Lage, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sich dauerhaft zukunftsfähig aufzustellen. Viele (aktuelle) Förderprogramme sind darüber hinaus aus formalen Gründen für gemeinnützige Einrichtungen nicht nutzbar. Durch geringe Rücklagen aufgrund der strikten Regelungen der Gemeinnützigkeit fallen für viele Einrichtungen Möglichkeiten einer Kreditaufnahme für Investitionen – auch aus geförderten Programmen – aus. Sie werden in der Regel auch in der Tourismusförderung zu Unrecht nicht mitbedacht.

        Das Investitionsprogramm ist dringend notwendig. Um die genannten Ziele zu erreichen, bedarf es eines langfristig angelegten Förderprogramms(kein Kreditprogramm!). Erforderlich ist die Umsetzung eines Digitalpakts Kinder- und Jugendarbeit[7]. Neubaumaßnahmen müssen explizit ermöglicht werden. Bei den Investitionen müssen die Kosten für Bauplanung sowie die Baubegleitkosten förderfähig sein. Bereits vorhandene Programme (Bundesförderung für effiziente Gebäude – Zuschuss für Nichtwohngebäude oder die Klimaschutzoffensive für den Mittelstand der KfW) müssen dahingehend geöffnet werden, dass durch einen weitgehenden Verzicht auf Eigenmittel (max. 10%) sowie die Ermöglichung der Kombination mit Mitteln des KJP die genannten gemeinnützigen Einrichtungen Zugang erhalten. Für einen effektiven Zugang zu den Programmen ist die Reduzierung des bürokratischen Aufwands, die Schulung der Verantwortlichen der Träger*innen und des Verwaltungspersonals sowie die Schaffung entsprechender Beratungsmöglichkeiten erforderlich.

        ***

        [1] vergleiche: Klaus Waldmann, 2020: Die Entwicklung der Landschaft der außerschulischen politischen Jugendbildung in Deutschland seit 1990. Expertise für die Kommission zum 16. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung: „Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter“. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2021/KJB_Waldmann_Exp16KJB_03032021_final.pdf [30.01.2022]

        [2] ebenda, S. 20

        [3] ebenda, S. 335

        [4] Die Zahlen entstammen einer Zusammenstellung des Statistischen Bundesamtes und umfassen Jugendtagungs- und jugendbildungsstätten, die hier wie folgt definiert sind: „Jugendtagungsstätten sind regionale oder überregionale Einrichtungen, in der Regel ohne hauptamtliches pädagogisches Personal, mit Tagungs-, Übernachtungs-, Verpflegungs- und Freizeitmöglichkeiten, in denen regelmäßige Bildungsveranstaltungen durchgeführt werden; Jugendbildungsstätten stehen ganz oder überwiegend für Veranstaltungen der außerschulischen Jugendbildung, einschließlich der Mitarbeiterschulung / Mitarbeiterinnenschulung zur Verfügung. Sie verfügen über eigenes pädagogisches Personal, das eigene Maßnahmen anbietet. Nicht hierzu gehören Einrichtungen der Erwachsenenbildung.“ (Definition nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes, zitiert nach s.o.)

        [5] Als Ursache beschreibt Klaus Waldmann [2, S. 20]: „Eine wesentliche Ursache für diesen Rückgang dürfte jedoch sein, dass einzelne Träger ihre Bildungseinrichtungen aufgrund unzureichender öffentlicher Förderung oder mangelnder verfügbarer Eigenmittel schließen mussten oder sich aus finanziellen Überlegungen aus der außerschulischen Jugendbildung zurückgezogen und sich anderen Arbeitsfeldern zugewandt haben. Festzuhalten ist, dass die traditionellen Gelegenheiten für Angebote der außerschulischen Jugendbildung und damit auch für die politische Jugendbildung in dem für diese Expertise ausgewerteten Zeitraum in sehr erheblichen Umfang verschwunden sind.“ Er untermauert dies auch mit einer faktischen Stagnation der Mittel für außerschulische Jugendbildung im KJP für diesen Zeitraum und der Entwicklung der Zahl der Beschäftigten in diesen Einrichtungen

        [6] Koalitionsvertrag, S. 78

        [7] Details siehe https://www.dbjr.de/artikel/digitalpakt-kinder-und-jugendarbeit

         

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/gemeinnuetzige-orte-der-jugendarbeit-zukunftssicher-machen

      7. DBJR-Position: Erwartungen an das Europäische Jahr der Jugend

        DBJR-Position: Erwartungen an das Europäische Jahr der Jugend

        Der Vorstand des Bundesjugendrings hat am 18.02.2022 die Position „Erwartungen an das Europäische Jahr der Jugend“ beschlossen:

        Das Jahr 2022 wurde von der Europäischen Union zum „Europäischen Jahr der Jugend“ ausgerufen. Die Europäische Kommission will zusammen mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Regierungen junge Menschen in den Mittelpunkt stellen. Mit dieser besonderen Aufmerksamkeit soll die Solidarität der jungen Generation während der Corona-Pandemie gewürdigt werden.

        Der Bundesjugendring setzt darauf, dass es die EU und ihre Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Jahr der Jugend ernst meinen. Das bedeutet vor allem: Junge Menschen in allen Bereichen wirksam beteiligen! Darüber hinaus müssen im Interesse der Jugend insbesondere die unten stehenden Themenfelder und Prozesse angepackt und von jungen Menschen wirksam mitgestaltet werden.

        Das Berücksichtigen der Interessen der jungen Generation darf dabei nicht auf ein Jahr beschränkt bleiben. Sie muss konstante Aufgabe für politische Entscheidungsträger*innen sein. Die Umsetzung der nationalen Jugendpolitik und die der europäischen Jugendstrategie müssen miteinander verbunden werden. Daran arbeitet der Bundesjugendring kontinuierlich als Vertretung von Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

        Soziale Sicherheit als Voraussetzung zur Beteiligung schaffen

        Junge Menschen möchten Politik aktiv mitgestalten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass ihre soziale Sicherheit gewährleistet ist. Die Folgen der Corona-Pandemie haben junge Auszubildende, Studierende und Berufstätige besonders stark getroffen. Unter den jungen Menschen ist die Arbeitslosigkeit überproportional gestiegen. Daher muss das Instrument der EU-Jugendgarantie wirkungsvoll angewendet werden und die aktive Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut Ziel politischer Maßnahmen sein. Darüber hinaus hat die junge Generation hohe Erwartungen an verbindliche Maßnahmen in der Sozial- und Beschäftigungspolitik; mit Zielvorgaben, etwa gemeinsame Standards für Arbeitsbedingungen wie die Abschaffung unbezahlter Praktika, eine flächendeckende Mindestausbildungsvergütung und den erleichterten Zugang zu Bildungsförderung. Darüber hinaus müssen Chancen und Zugänge zu guter formaler und non-formaler Bildung gleichberechtigt für alle gelten.

        Mentale Gesundheit von jungen Menschen schützen

        Die Zahl junger Menschen, die in ihrer mentalen Gesundheit beeinträchtigt sind, steigt seit Jahren besorgniserregend. Psychische Erkrankungen wie Angst- und Essstörungen, Depressionen und dissoziale Störungen bedeuten eine erhebliche Einschränkung für selbstbestimmtes Aufwachsen und die soziale Teilhabe an unserer Gesellschaft. Deshalb ist die Förderung der mentalen Gesundheit von jungen Menschen eine wichtige politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Angebote zur Aufklärung, Prävention, Intervention und professionellen Behandlung psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen in Deutschland sind massiv unterentwickelt. Deshalb muss eine gesellschaftliche Debatte mit dem Ziel einer Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen angestoßen werden. Eine psychische Erkrankung darf zudem nicht zu einer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt führen. Außerdem ist eine Stärkung insbesondere von Präventions-Strukturen sowie eine deutliche Erhöhung der zur Verfügung stehenden Therapieplätze dringend notwendig.

        Schutz und Förderung von demokratischen Strukturen der jungen Zivilgesellschaft umsetzen

        Die EU muss ein Garant für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa sein. Die junge Generation erwartet einen entschiedenen Einsatz der EU für Frieden, die Wahrung der Menschenrechte und die Praxis eines solidarischen Miteinanders. Allerdings geraten in Europa die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zunehmend unter Druck. Auch demokratische Jugendverbände sind davon betroffen. Die Handlungsräume für die Zivilgesellschaft dürfen nicht schrumpfen. Im Gegenteil: Demokratische und selbstorganisierte Räume und Strukturen müssen erhalten bleiben, um die wirksame Beteiligung junger Menschen zu gewährleisten. Dafür braucht es verlässliche und unabhängige Förderung für Kinder- und Jugendverbände als selbstorganisierte Interessenvertretungen junger Menschen.

        Wirksame Jugendbeteiligung bei politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene sichern

        Europäische Politik wird in allen Bereichen für junge Menschen gestaltet. Die Interessen und Forderungen von Jugendlichen müssen gehört und einbezogen werden. Das ist im Rahmen des EU-Jugenddialogs, der Konferenz zur Zukunft Europas und im Europäischen Jahr der Jugend wichtig – und muss zugleich dauerhaft gelten. Junge Menschen müssen qualitativ und wirkungsvoll beteiligt, ihre Anliegen ernst genommen und Diskussionen auf Augenhöhe mit den Entscheider*innen der Politik ermöglicht werden. Darüber hinaus sind neue Gesetze auf die Auswirkungen für die junge Generation zu prüfen. Dies soll in einem europäischen Jugend-Check verstetigt werden.

        Beteiligung durch Wahlaltersenkung stärken

        Wählen ist das vornehmste Recht aller Bürger*innen in einer Demokratie. Jungen Menschen unter 18 Jahren dieses Recht abzusprechen, ist ein bedeutender Eingriff in die demokratischen Grundrechte ebendieser jungen Menschen. Das muss gut begründet sein. Aus der Sicht des Bundesjugendrings ist eine Absenkung des Wahlalters ein längst fälliger Schritt, um jungen Menschen ihr demokratisches Mitbestimmungsrecht zu gewähren. Deshalb erwarten wir, dass in einem ersten Schritt das aktive Wahlalter für die kommenden Europawahlen auf 16 Jahre gesenkt wird. Perspektivisch sollte das aktive Wahlalter zudem für alle Wahlen in Deutschland in einem ersten Schritt auf 16 Jahre gesenkt werden. Das Wahlrecht sollte dabei nicht vom Erwerb einer deutschen bzw. europäischen Staatsbürgerschaft abhängen, sondern muss sich einzig am Lebensmittelpunkt der in Europa lebenden Menschen orientieren.

        Ambitionierte Klima- und Nachhaltigkeitspolitik umsetzen

        Europa hat als Kontinent gute Voraussetzungen, die Klimakrise zu bewältigen. Dieser Vorreiterrolle muss die EU in der Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens gerecht werden. Junge Menschen bringen sich stark in die Debatte um Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein. Dabei weisen sie zurecht darauf hin, dass politische Maßnahmen mehr als einen „grünen Anstrich“ benötigen. Es ist richtig, die Greenification – also die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit – in einem umfassenden Verständnis auf europäischer Ebene anzugehen, um einheitliche Regelungen für alle Mitgliedstaaten zu erreichen. Dabei muss auch Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) konzeptionell in formeller und informeller Bildung sowie in den EU-Jugendprogrammen integriert werden. Die wirksame Beteiligung junger Menschen an der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik muss gewährleistet werden.

        Digitalisierung jugendgerecht gestalten

        Die Bedarfe und Erwartungen junger Menschen als Verbraucher*innen und Produzent*innen müssen bei der Regulierung und Weiterentwicklung in allen Bereichen der Digitalisierung aufgenommen werden. Konkret etwa beim Digital Services Act, dem europäischen Gesetz zur Medienfreiheit oder bei der Verordnung zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Zugleich müssen bei allen Vorhaben zur Digitalisierung der Bundesregierung und bei der Förderung digitaler Jugendarbeit die Interessen junger Menschen eine Rolle spielen: Angebote und Regeln im digitalen und medialen Raum müssen die Souveränität junger Menschen über ihre Daten sichern sowie deren Recht auf Information und Teilhabe aller umsetzen.

        Beschlossen vom Vorstand am 18.02.2022.

         

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/erwartungen-an-das-europaeische-jahr-der-jugend 

      8. DBJR-Beschluss: Diskriminierung von Kindern aus Regenbogenfamilien abschaffen

        DBJR-Beschluss: Diskriminierung von Kindern aus Regenbogenfamilien abschaffen

        Die DBJR-Vollversammlung hat am 11.09.2021 in Magdeburg die Position „Gleiche Rechte für alle Kinder – Änderung des Abstammungsrechts, um Diskriminierung von Kindern aus Regenbogenfamilien* abzuschaffen!“ beschlossen:

        Als Kinder- und Jugendverbände sowie Jugendringe setzen wir uns selbstverständlich für das Wohl jedes Kindes ein. Kindern, die in Regenbogenfamilien geboren werden, wird durch die Notwendigkeit einer Stiefkindadoption ein Elternteil mit all seinen Rechten und vor allem Pflichten vorenthalten. Das heißt konkret: Bei ihrer Geburt haben diese Kinder nur ein rechtliches Elternteil, nämlich. Wer sie geboren hat. Sollte dieser Person bei oder nach der Geburt etwas zustoßen, fällt das Sorgerecht automatisch an das zuständige Jugendamt – obwohl es ein weiteres Elternteil gibt.

        Derzeit ist neben einer langwierigen und teuren Klage vor Gericht die Stiefkindadoption die einzige Möglichkeit, dass das Kind zwei Elternteile mit gleichen Rechten und Pflichten bekommt. Doch diese Kinder sind keine Stiefkinder! Zudem dauern diese Verfahren mehrere Jahre, in denen die Kinder wiederum nur ein Elternteil haben. Das heißt: Neben der bereits oben genannten Unsicherheit, wenn dem ersten Elternteil etwas zustößt, dasrf zum Beispiel nur der rechtliche Elternteil mit dem Kind zum*zur Ärzt*in, es in der Kita anmelden oder abholen. Der rechtlich nicht anerkannte Elternteil benötigt dazu eine Vollmacht. Das ist für uns nicht hinnehmbar, denn es verstößt unserer Ansicht nach gegen das Grundgesetz – gegen den „Antidiskriminierungsparagraphen“ Artikel 3 Grundgesetz und gegen den staatlichen Schutz von Familien gemäß Artikel 6 Grundgesetz. Im letztgenannten werden unehelichen Kindern die gleichen Rechte eingeräumt wie ehelichen Kindern.

        Kindern, die in Regenbogenfamilien geboren werden, werden diese Rechte bisher verwehrt. Auch diese Kinder sollten zwei Elternteile haben können, die – auch im rechtlichen Sinne – für das Kind sorgen, es lieben und es in jeglicher Hinsicht unterstützen können. Wir fordern die gleichen Rechte für alle Kinder – auch für Kinder aus Regenbogenfamilien. Und deswegen fordern wir eine Änderung des Abstammungsrechts:

        • Gleichstellung aller Elternteile, die in einer Ehe leben, unabhängig vom biologischen und sozialen Geschlecht sowie der sexuellen Orientierung, unter Anwendung aller Regeln, die derzeit für eine Ehe aus Cis[1]-Mann und Cis-Frau gelten. Das heißt: Wird ein Kind in eine Familie hineingeboren, sind automatisch beide Ehepartner*innen Elternteile dieses Kindes.

        • Die Möglichkeit, dass der Elternteil, der das Kind gebärt, seine*n Partner*in unabhängig vom Geschlecht und davon, ob die beiden verheiratet sind oder nicht, als zweiten Elternteil eintragen lassen kann. Also auch hier eine Angleichung an die Regelungen für unverheiratete Paare aus Cis-Mann und Cis-Frau, die damit sicherstellen können, dass das Kind ein zweites vollwertiges Elternteil hat.

        • Ersetzen der Begriffe „Mutter und Vater“ im Bürgerlichen Gesetzbuch durch „Elternteil 1 und Elternteil 2“ oder eine vergleichbare Formulierung, die Elternschaft unabhängig vom biologischen oder sozialen Geschlecht macht. Dies stellt sicher, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht eine Elternrolle übernehmen können. Das ist derzeit für Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ nicht der Fall, was eine eindeutige Diskriminierung darstellt.

        Wir stellen uns mit dieser Position solidarisch auf die Seite von Initiativen wie #nodoption, die sich dafür stark machen, das Abstammungsrecht so zu ändern, dass Kinder aus Regenbogenfamilien die gleichen Rechte haben wie alle anderen Kinder auch. Unter Regenbogenfamilie verstehen wir Familien, in denen mindestens ein Elternteil nicht cisgeschlechtlich lebt oder heterosexuell liebt, für die also die Formel „Vater, Mutter, Kind“ im Allgemeinen zu kurz greift.

        Mit 67 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung beschlossen in der Vollversammlung am 11.09.2021.

        ***

        [1] Das lateinische Präfix “cis-” (auf dieser Seite, diesseits, binnen, innerhalb) bildet das Antonym also Gegenteil von trans- (über-, hinüber-, durch-, hindurch-). “Cis” und Begriffe wie “cisgender”, wurden von der trans*-Bewegung eingeführt, um trans* nicht immer als die Abweichung von der Norm zu definieren.
        https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/geschlechtliche-vielfalt-trans/245426/lsbtiq-lexikon?p=7

         

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/diskriminierung-von-kindern-aus-regenbogenfamilien-abschaffen

      9. Ab heute leben wir auf Pump

        Ab heute leben wir auf Pump

        Kinder und Jugendliche machen die Bundestagswahl zur Klimawahl

        Am 29. Juli ist der diesjährige Earth-Overshoot-Day. Die Menschheit hat heute die ökologischen Ressourcen verbraucht, die die Erde im Laufe eines Jahres regenerieren kann. Die Berechnungen der Organisation Global Footprint Network mithilfe des Ökologischen Fußabdrucks zeigen, dass der aktuelle Ressourcenverbrauch die Kapazitäten unserer Erde übersteigt. Wir produzieren beispielsweise mehr CO2 als Ozeane und Wälder aufnehmen können und holzen mehr Wälder ab als wieder aufgeforstet werden. Um diesen Lebensstil weiterzuführen, bräuchten wir mehr als eine Erde.

        Gemeinsam für das 1,5-Grad Ziel

        In diesem Jahrzehnt entscheidet sich, ob die im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5-Grad-Grenze noch eingehalten und damit die Klimakatastrophe abgewendet werden kann. Als Kinder- und Jugendverbände sowie Kinder- und Jugendorganisationen vertreten wir die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Wir stehen entschieden für das Einhalten der 1,5-Grad-Grenze und rufen alle Menschen dazu auf, sich dem Kampf gegen die Klimakrise und für eine lebenswerte Zukunft anzuschließen.

        Der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt

        Wir müssen jetzt handeln. Für Deutschland ist die diesjährige Bundestagswahl der entscheidende Moment. Die nächste Bundesregierung muss einen Systemwandel einleiten. Deshalb fordern wir alle Wähler*innen dazu auf, im September für Klimagerechtigkeit, also eine menschenrechtskonforme Klimapolitik, zu stimmen. Wir werden eine Wahlentscheidung für sozial-gerechten Klima- und Naturschutz treffen.

        Wir mischen uns für das Klima ein

        Wir rufen alle jungen Menschen, insbesondere die, die leider noch nicht wählen dürfen, dazu auf, mit Wahlberechtigten über Klimaschutz ins Gespräch zu kommen und sie aufzufordern, für unsere Zukunft zu wählen.

        Wir, die hier kooperierenden Jugendorganisationen vertreten in unserem Zusammenschluss über 4 Millionen Kinder und Jugendliche. Wir sind vielfältig in unserem Zusammenschluss und uns eint ein Ziel: Die gerechte Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze!

        Unterstützende Organisationen:

        • Amnesty International Deutschland Jugend
        • Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) – hier ist auch der VCP Mitglied
        • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
        • Bundesjugendwerk der AWO e. V.
        • Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG)
        • freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e. V.
        • Fridays for Future Deutschland (FFF)
        • Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV)
          Jugendnetzwerk Lambda
        • Katholische Landjugendbewegung (KLJB)
        • NAJU (Naturschutzjugend im NABU)
        • Slow Food Youth Deutschland
        • SV-Bildungswerk
        • youpaN

        Hannover, 29. Juli 2021
        Martin Weber
        Zeichen: 2.602

        PM 4_2021 Kinder und Jugendliche machen die Bundestagswahl zur Klimawahl

        Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej) ist der Zusammenschluss der Evangelischen Jugend in Deutschland. Als Dachorganisation vertritt die aej die Interessen der Evangelischen Jugend auf Bundesebene gegenüber Bundesministerien, gesamtkirchlichen Zusammenschlüssen, Fachorganisationen und internationalen Partnern. Ihre derzeit 32 Mitglieder sind bundeszentrale evangelische Jugendverbände und Jugendwerke, Jugendwerke evangelischer Freikirchen und die Kinder- und Jugendarbeit der Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Acht evangelische oder ökumenische Verbände, Einrichtungen und Fachorganisationen sind als außerordentliche Mitglieder angeschlossen. Die aej vertritt die Interessen von ca. 1,35 Millionen jungen Menschen.

      10. DBJR-Position: Bestandsaufnahme und Perspektive zur Jugendstrategie der Bundesregierung

        DBJR-Position: Bestandsaufnahme und Perspektive zur Jugendstrategie der Bundesregierung

        Der Hauptausschuss des DBJR hat am 02.06.2021 die Position „Bestandsaufnahme und Perspektive zur Jugendstrategie der Bundesregierung” beschlossen:

        Als Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe in Deutschland setzen wir uns seit vielen Jahren mit der Frage auseinander, was eine eigenständige bzw. gute Jugendpolitik aus Sicht junger Menschen ausmacht. Eine gute Jugendpolitik nimmt junge Menschen als Ausgangspunkt und ihre Interessen als Ziel. Sie setzt sich mit dem auseinander, was Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betrifft oder interessiert. Gute Jugendpolitik vertritt dabei den Standpunkt und die Perspektive junger Menschen und ist in diesem Sinne parteilich. Sie nimmt junge Menschen und deren Selbstbestimmung und Selbstorganisation ernst und schafft wirksame Kinder- und Jugendbeteiligung. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft verankert. Sie setzt auf selbstbestimmte und selbstorganisierte Strukturen junger Menschen. Ohne Strukturen wie Jugendverbände und Jugendringe ist eine gute, demokratische und streitbare Jugendpolitik nicht möglich. Gute Jugendpolitik muss die Aufmerksamkeit erhalten, die ihrer gesellschaftlichen Relevanz entspricht. Gute Jugendpolitik ist international, bundesweit, aber vor allem vor Ort wichtig und endet nicht an der Landesgrenze. Sie muss auf europäischer Ebene gestaltet werden. Dabei müssen die Umsetzung der nationalen Jugendpolitik und die der europäischen Jugendstrategie zusammengedacht werden. Gute Jugendpolitik muss mit jungen Menschen als starkes Politikfeld weiterentwickelt werden, das sich ernsthaft politisch mit Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auseinandersetzt. Damit Jugendpolitik strukturell verankert und abgesichert ist, muss es verlässliche Strukturen in Politik und Verwaltung geben, die eine klare Verantwortung für Jugendpolitik tragen und handlungsfähig sind.

        Die eigenständige bzw. gute Jugendpolitik ist in den vergangenen zehn Jahren fester Bestandteil zahlreicher jugendpolitischer Debatten gewesen. Ausgangspunkt war unter anderen die Stellungnahme „Zur Neupositionierung zur Jugendpolitik“ des Bundesjugendkuratoriums (BJK) im Mai 2009. Die Bundesregierung hat daraufhin 2015 eine Jugendstrategie mit dem Titel „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ entwickelt. Der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung hat sich unter dem Leitmotiv „Jugend ermöglichen“ der spezifischen Lebenssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewidmet. Der Bericht bestätigte, dass Jugendpolitik als eigenständige Lebensphasenpolitik für alle Jugendlichen und junge Erwachsenen Querschnittsaufgabe sein muss. Im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode wurde die Entwicklung einer gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung unter Beteiligung von jungen Menschen und der Zivilgesellschaft verankert. Ausgehend vom Ansatz, dass gute Jugendpolitik ressortübergreifend aufgestellt sein muss, hat die Bundesregierung zur Erarbeitung der Jugendstrategie eine Interministerielle Arbeitsgruppe Jugend (IMA) eingesetzt. Diese hat mit Vertreter*innen aus fast allen Bundesministerien die Jugendstrategie und die darin beschriebenen Handlungsfelder erarbeitet. Parallel wurde ein Beirat des BMFSFJ geschaffen, der, bestehend aus Vertreter*innen der Länder, kommunalen Spitzenverbände und der Zivilgesellschaft, den Prozess beratend begleitet hat. Schließlich hat die Bundesregierung im Dezember 2019 unter dem Titel „In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend“ ihre Jugendstrategie beschlossen. Wir nehmen die bevorstehenden Bundestagswahlen und eine mehr als einjährige Erfahrung mit der Jugendstrategie zum Anlass, uns mit dieser und den bisherigen Bemühungen zu ihrer Umsetzung zu äußern.

        Der Beschluss der Jugendstrategie der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt zu einer guten, ressortübergreifenden Jugendpolitik. Die Jugendstrategie rückt die spezifischen Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Fokus und schafft somit ein Bewusstsein dafür, in politischen Entscheidungsprozessen jugendpolitische Belange aufzugreifen. Die bestehende Strategie zeigt allerdings auch, dass der Weg zu einer eigenständigen bzw. guten Jugendpolitik in Deutschland noch weit ist. Sie hat in weiten Teilen noch nicht den Charakter einer ganzheitlichen Strategie. Der Aufbau der Jugendstrategie orientiert sich an neun thematischen Handlungsfeldern. Für jedes Handlungsfeld wird eine Ausgangslage beschrieben, Handlungsbedarfe herausgearbeitet und konkrete Maßnahmen der Bundesregierung vorgestellt. Die beschlossenen Handlungsbedarfe in den einzelnen Handlungsfeldern formulieren oftmals die richtigen Ansprüche für die Umsetzung einer guten Jugendpolitik. Leider bleiben die angeknüpften Maßnahmen hinter den Ansprüchen aus den Handlungsbedarfen zurück. Es entsteht der Eindruck, dass im Mittelpunkt der Strategie mit wenigen Ausnahmen nur eine unvollständige Bestandsaufnahme der aktuellen Maßnahmen des jeweiligen Ressorts steht. Diese Maßnahmen wurden untereinander kaum abgestimmt und nicht ausgehend von einer gemeinsamen Strategie entwickelt. Auch die von uns geforderte ebenen-übergreifende Verzahnung zwischen einer Europäischen Jugendstrategie, der Jugendstrategie der Bundesregierung und geplanten/bestehenden Strategien der Länder findet kaum Beachtung.

        Umsetzung und Weiterentwicklung der Jugendstrategie

        Beteiligung der Zivilgesellschaft

        Sowohl die IMA als auch der Beirat des BMFSFJ haben ihre Arbeit nach Beschluss der Jugendstrategie durch das Bundeskabinett mit dem Ziel fortgesetzt, die Jugendstrategie umzusetzen und weiterzuentwickeln. Die IMA arbeitet seit Verabschiedung der Jugendstrategie an deren Umsetzung – auf Basis der formulierten Handlungsbedarfe und u.a. mit den darin benannten Maßnahmen. Wie bereits beim Erarbeitungsprozess der Jugendstrategie werden öffentliche Informationen, die Rückschlüsse auf die Umsetzung der Maßnahmen ermöglichen, nur wenig zur Verfügung gestellt. Die Zivilgesellschaft wird nicht direkt in die Arbeit der IMA einbezogen. Für die zivilgesellschaftlichen Akteure besteht lediglich die Möglichkeit, das Bundesjugendministerium über Mitwirkung im Beirat bei der Umsetzung der Jugendstrategie zu beraten. Der Beirat ist ausdrücklich in unserem Sinne, weil die Möglichkeit besteht, das BMFSFJ bei Entscheidungsprozessen jenseits der Jugendstrategie aktiv und stetig zu beraten. Wir kritisieren, dass der Beirat in Bezug auf die gesamte Jugendstrategie kein ausreichendes Beteiligungsinstrument ist. Die Verzahnung zwischen dem Beirat und der IMA – und damit die Entscheidungsprozesse in Bezug auf die aktuellen Vorhaben und Schwerpunkten – ist nicht transparent genug. Durch die Verankerung ausschließlich am BMFSFJ wird ein Schwerpunkt auf Maßnahmen dieses Ressorts und damit der Kinder- und Jugendhilfe im weiteren Sinne gesetzt. Das beeinträchtigt den ressortübergreifenden Gedanken der Jugendstrategie, in der alle Bundesressorts gemeinsam Verantwortung für eine gute Jugendpolitik übernehmen. Darüber hinaus gelingt es nicht, Transparenz oder gar Beteiligung in Bezug auf die Maßnahmen der anderen Ressorts herzustellen.

        Angebote zur Beteiligung von jungen Menschen

        Um junge Menschen an der Erarbeitung und Umsetzung der Jugendstrategie zu beteiligen, wurden und werden verschiedene Angebote zur Beteiligung von jungen Menschen unter Federführung des BMFSFJ umgesetzt. Zu diesen Formaten gehören u.a. die JugendPolitikTage oder die Bundesjugendkonferenz. Wir stellen fest, dass die Formate von einer transparenten und wirkungsvollen Beteiligung junger Menschen weit entfernt sind. Junge Menschen geben im Rahmen der Veranstaltungen allenfalls Empfehlungen zur Erarbeitung und Umsetzung der Jugendstrategie ab bzw. diskutieren mit politischen Entscheider*innen zu aktuellen jugendpolitischen Fragestellungen. Bei all diesen Formaten ist die Auswahl der Teilnehmenden intransparent und weitgehend beliebig. Sie sind weder repräsentativ noch legitimierte Interessenvertreter*innen. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich ein „Pool“ an jungen Menschen gebildet hat, der an vielen dieser Veranstaltungen teilgenommen hat. Aufgrund der Auswahlverfahren ist eine demokratische Legitimität der Ergebnisse nicht gegeben und deren Beschlüsse nicht geeignet, die breite Berücksichtigung unterschiedlicher Interessenlagen zu ermöglichen. Durch die Vielfalt an zum Teil beliebigen Formen der Beteiligung werden möglicherweise mehr junge Menschen erreicht. Zugleich läuft die Interessenvertretung junger Menschen Gefahr, immer unschärfer zu werden und in Entscheidungsprozessen beliebig oder auch gar nicht aufgegriffen zu werden. Politik kann (aus-)wählen – und tut dies auch (vgl. 15. Kinder- und Jugendbericht S. 421).

        Trotz unserer Kritik bringen wir uns in den Prozess zur Jugendstrategie der Bundesregierung ein. Wir waren und sind im Beirat des BMFSFJ vertreten und unterstützen die Beteiligungsangebote fachlich, etwa durch Angebote einzelner Workshops, Entsendung von Expert*innen und Jugendverbandsvertreter*innen oder im Rahmen einzelner Projekte (u.a. des Projektes jugend.beteiligen.jetzt).

        Konkrete Maßnahmen des BMFSFJ

        Anders als in den meisten Handlungsfeldern der anderen Ressorts, ist in denen des BMFSFJ für uns eine Strategie erkennbar. Maßnahmen werden aus den beschlossenen Handlungsbedarfen im Handlungsfeld abgeleitet und entsprechend weiterentwickelt bzw. begonnen. Daher setzen wir uns im Folgenden exemplarisch mit einzelnen Maßnahmen auseinander, die aus dem BMFSFJ in die Jugendstrategie aufgenommen wurden.

        Jugend-Check

        Die Idee des Jugend-Checks wurde gemeinsam von BMFSFJ, DBJR und anderen Akteuren entwickelt. Eine für alle Ressorts verbindliche, rechtlich abgesicherte Verankerung des Jugend-Checks konnte trotz intensiver Bemühungen seitens der Zivilgesellschaft und des federführenden Ressorts bisher nicht erreicht werden. Positiv ist, dass mit dem Kompetenzzentrum Jugendcheck (KomJC) die fachliche Weiterentwicklung und umfangreiche Erprobung des Jugend-Checks in Projektform ermöglicht und gleichzeitig für dessen Notwendigkeit sensibilisiert wird. Seine Kernaufgabe erfüllt der Jugend-Check jedoch nicht, weil nach wie vor weder seine Durchführung noch die Vermittlung der Ergebnisse an die Entscheidungsträger*innen verbindlich sind. Die zunehmende Fokussierung auf die Zielgruppe junge Menschen werten wir als wertvollen Beitrag v.a. zur politischen Bildung. Wir sehen sie jedoch auch kritisch, weil sie kaum einen Beitrag zur eigentlichen Zielstellung leistet. Die Beteiligung von Fachwelt, Zivilgesellschaft und von Interessenvertretungen junger Menschen erfolgt über den Fachbeirat. Darüber hinaus erfolgt eine Einbeziehung junger Menschen in Form von „Jugend-Audits“. Dabei wird die individuelle Expertise einzelner junger Menschen aufgegriffen. Eine echte Beteiligung ist damit nicht verbunden. Langfristig muss eine wirkungsvolle, d.h. verbindliche Einführung des Jugend-Checks als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung erfolgen. Eine Gesetzesfolgenabschätzung nur für ausgewählte Gesetze und ohne verlässliche Kommunikation der Ergebnisse zu den Entscheidungsträger*innen, so wie aktuell im Projekt KomJC, ist perspektivisch nicht zielführend. Ebenso braucht es eine langfristige Finanzierung außerhalb des Kinder- und Jugendplans (KJP) des Bundes. Sie muss dort erfolgen, wo alle Maßnahmen zur Gesetzesfolgenabschätzung finanziert werden. Wir begrüßen die Bemühungen, einen Jugend-Check auch auf Länderebene einzuführen. Und wir fordern den Jugend-Check auch für europäische Entscheidungsverfahren. Wir sind bereit und interessiert, weiterhin im Fachbeirat des KomJC mitzuwirken.

        Jugendbudget und Jugendhaushalt

        Das BMFSFJ strebt mit dem so genannten Jugendbudget partizipative Budgetierung auf Bundesebene an. Damit sollen Jugendliche Projekte, Aktionen und Veranstaltungen entwickeln, priorisieren und realisieren. Hierfür stellt das BMFSFJ für einen Zweitraum von 2021 bis 2022 eine Million Euro zur Verfügung. Die Förderung von max. zehn Projekten über zwei Jahre bzw. die Ermöglichung der Umsetzung von bis zu zehn Ideen junger Menschen mit Bezug auf die Jugendstrategie ist aus Sicht dieser Ideen und beteiligten jungen Menschen zu begrüßen. Im Sinne einer guten Jugendpolitik muss es aus unserer Sicht jedoch möglich sein, dass mindestens über alle Haushaltspositionen des Bundeshaushaltes, die junge Menschen betreffen, Transparenz hergestellt und bei deren Aufstellung und Priorisierung junge Menschen beteiligt werden. Durch das jetzige Vorhaben besteht die Gefahr, dass der Bedarf einen Jugendhaushalt in Angriff zu nehmen, nicht mehr wahrgenommen wird. Der DBJR spricht sich daher – statt für ein Jugendbudget – langfristig für das mit einem Jugendhaushalt eigentlich verbundene Ziel aus, die Ausgaben des Bundes für junge Menschen für diese zumindest transparent zu und mitbestimmbar zu machen. Neben dem Konzept des Jugendhaushaltes ist ein in diesem Zusammenhang begrüßenswerter Ansatz, die Co-Management-Mechanismen wie auf europäischer Ebene hinzuzuziehen.

        Die aktuelle Form des Jugendbudget sehen wir daher kritisch und nur als Zwischenschritt zum skizzierten Ziel. Dabei bedarf es größtmöglicher Transparenz. Bei der Weiterentwicklung müssen Akteure aus der etablierten Jugendstrukturen einbezogen werden. Die Finanzierung des Jugendbudgets darf nicht zu Lasten der Förderung der Jugendarbeit durch den Kinder- und Jugendplan (KJP) gehen. Der DBJR begleitet dieses Vorhaben weiterhin konstruktiv-kritisch.

        Starke Kinder- und Jugendparlamente

        Unabhängig von unserer Bewertung zu Rolle, Möglichkeiten, Voraussetzungen und Grenzen repräsentativer Beteiligungsformate wie Jugendparlamenten, ist es im Sinne der Jugendstrategie konsequent, die Initiative Starke Kinder- und Jugendparlamente weiterzuentwickeln. Dazu gehört, empirisch abgesicherte Erkenntnisse über diese Beteiligungsformate zu gewinnen – durch entsprechende Forschungsvorhaben ebenso, wie durch die Unterstützung der qualitativen Weiterentwicklung.

        Aktualisierung der Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung

        Die Beteiligung von jungen Menschen ist einer der wichtigsten Aspekte einer guten Jugendpolitik. Diese gilt sowohl für die Beteiligung an der Erarbeitung, Umsetzung und Weiterentwicklung der Jugendstrategie selbst wie für das Ermöglichen wirksamer Jugendbeteiligung an allen Belangen und Bereichen, die junge Menschen betreffen. Daher ist es wichtig, entsprechende Qualitätsstandards zu entwickeln, zu kommunizieren und stetig weiterzuentwickeln. Das Projekt zur „Aktualisierung der Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung“ ist aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein zur Umsetzung der Jugendstrategie. In Zusammenarbeit mit dem BMFSFJ wird das Projekt durch den DBJR umgesetzt.

        Als Interessenvertretung der Jugendverbände und Jugendringe begrüßen wir die mit den einzelnen Maßnahmen verbundenen Ideen und grundsätzlichen Zielstellungen im Interesse einer guten Politik für junge Menschen. Kritisch sehen wir, dass die Maßnahmen als (i.d.R.) KJP geförderte Projekte mit Anbindung im BMFSFJ Gefahr laufen, ausschließlich als Teil der Kinder- und Jugendhilfe und nicht einer Jugendstrategie der gesamten Bundesregierung gesehen zu werden. Maßnahmen in anderen Ressorts vermissen wir. Wir sehen die konkrete Gefahr der „Verniedlichung“ und Reduzierung auf symbolische Aktivitäten, die den gesellschaftlichen und jugendpolitischen Druck, ernsthafte Beteiligung junger Menschen bzw. ernsthafte Berücksichtigung ihrer Interessen zu ermöglichen, reduziert und langfristig entsprechende Weichenstellungen verzögert oder gar verhindert.

        Weiterentwicklung und Zukunft der Jugendstrategie

        Der ressortübergreifende Charakter einer guten Jugendpolitik und der Jugendstrategie der Bundesregierung muss stärker betont und gelebt werden. Dafür sind mehrere weitergehende Ansätze – auch in Kombination – denkbar:

        • Ressortübergreifende Anbindung und Steuerung der Jugendstrategie durch das Bundeskanzleramt (bspw. durch eine Koordinationsstelle im Kanzleramt und Staatssekretär*innenrunde wie beim Thema Nachhaltige Entwicklung).
        • Stärkere Steuerungsfunktion der IMA, bspw. durch die Besetzung auf Staatssekretär*innen-Ebene und Umwandlung des Beirates des BMFSF in einen Beirat der IMA.
        • Stärkere Steuerungsfunktion der IMA und Etablierung eines Beirates anlog dem im BMFSFJ in allen Ressorts.

        Daran anschließend müssen verstärkt ressortübergreifende Aktivitäten und Maßnahmen aus der Jugendstrategie hervorgehen. Gleichzeitig können solche Maßnahmen Schritte auf den Weg zu einem wirklich ressortübergreifenden Charakter der Jugendstrategie sein. Auch die Perspektive der europäischen Jugendstrategie muss stärker in die Jugendstrategie der Bundesregierung einfließen und in der IMA und im Beirat stärker berücksichtigt werden. Die Umsetzung der EU-Jugendstrategie und die Resultate der europäischen Jugendbeteiligungsverfahren, wie etwa die europäischen Jugendziele, der Jugenddialog oder die EU-Jugendkonferenz müssen kohärent einbezogen werden. Außerdem muss die Verzahnung von IMA und Zivilgesellschaft verbessert werden. Dazu gehört als erstes eine stärkere Transparenz der Arbeit der IMA und eine Aufwertung der Möglichkeiten des Beirates. Es sollte geprüft werden, ob die Vertretung der einzelnen Ministerien in der IMA nicht in regelmäßigen Abständen durch Leiter*innen der Ministerien, etwa Staatssekretär*innen, erfolgen sollte. Nur diese können Querschnittthemen in ihre Ressorts tragen und umgekehrt.

        Wirksame Jugendbeteiligung ist konstitutiv für eine gute Jugendpolitik und die damit Jugendstrategie. Daher müssten zukünftig alle Angebote, Maßnahmen und Aktivitäten der Kinder- und Jugendbeteiligung im Rahmen der Jugendstrategie mindestens den entsprechenden Qualitätskriterien genügen. Darüber hinaus muss es das Ziel der Jugendstrategie sein, dass auch entsprechende Maßnahmen der anderen Ressorts dieser Grundlage genügen. Dazu gehört, dass die Jugendbeteiligung an der Weiterentwicklung und Umsetzung der Jugendstrategie sowie den entsprechenden Maßnahmen verlässlich, nachhaltig und transparent erfolgt und die etablierten Strukturen der Interessenvertretung junger Menschen aktiv und kontinuierlich beteiligt werden. Uns ist es als Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe sowie als Interessenvertretung junger Menschen sehr wichtig, gemeinsam mit dem BMFSFJ die Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland zu stärken, die Jugendbeteiligung in anderen Bereichen und Ressorts zu fördern und dabei zusammen zu arbeiten.

        Jugendstrategie im Lichte der Corona-Krise

        Wichtiges Ziel von guter Jugendpolitik und der Jugendstrategie muss sein, dass die Lebenswirklichkeiten junger Menschen von Politik, Verwaltung, in den Medien und durch die breite Öffentlichkeit in all ihren Facetten betrachtet und anerkannt werden. In der Corona-Krise hat sich mehr als deutlich gezeigt, dass die vorhanden undifferenzierten und zum Teil klischeehaften Jugendbilder falsch und inakzeptabel sind. Jungen Menschen wurde kollektiv Fehlverhalten zugeschrieben, sie wurden auf die Rolle von Schüler*innen o.ä. reduziert. Die Reaktionen auf die Corona-Pandemie etwa in Form von Prioritätensetzung, Nichtbeachtung bei den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und dem geringen Stellenwert bei Unterstützungsmaßnahmen bzw. Maßnahmen zur Abfederung der Krisenfolgen zeigen sehr deutlich, welch geringe Wirkung die Jugendstrategie derzeit noch hat. Und es zeigt, wie schnell an vielen Stellen die guten Absichten bei relevanten politischen Entscheidungen vergessen sind. Ebenso wurde deutlich, dass junge Menschen meist nur als Objekte des (politischen) Handelns gesehen werden. Weder wurden sie oder ihre Interessenvertretungen in die Entscheidungen eingebunden – und damit auf vielfältige Expertise verzichtet – noch wurde ihr umfangreicher und vielfältiger Beitrag zur Krisenbewältigung gesehen oder anerkannt. Damit wird deutlich: Eine Jugendpolitik ist keine gute Jugendpolitik, die in Krisenzeiten, wenn es um auch für junge Menschen essentielle Dinge geht, nicht vorkommt oder keine Wirkung zeigt. Eine Jugendstrategie, die keine gute Jugendpolitik sicherstellt, muss nachgebessert werden. Dazu leisten wir gerne unseren Beitrag.

        Unsere Forderungen

        Die Jugendstrategie der Bundesregierung muss auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt und dabei weiterentwickelt werden. Sie muss krisenfest werden und auch in Krisenzeiten Wirkung zeigen. Die Zivilgesellschaft und die Interessenvertretungen junger Menschen müssen stärker einbezogen werden. Jegliche Jugendbeteiligung im Rahmen der Jugendstrategie muss den Qualitätsstandards genügen, verbindlich, nachhaltig und transparent sein und die etablierten Interessenvertretungsstrukturen einbeziehen. Der ressortübergreifende Charakter der Jugendstrategie muss deutlich ausgebaut werden. Dies betrifft v.a. die Steuerung und die Maßnahmen. Die Arbeit und Entscheidungsfindung der IMA muss transparenter werden und diese teilweise hochrangiger besetzt werden. Die Maßnahmen, die aus der Jugendstrategie abgeleitet werden, müssen wirkungsvoller auf die jeweiligen Ziele ausgerichtet werden und weniger symbolischen Charakter haben.

        Einstimmig beschlossen im Hauptausschuss am 02 06.2021 in Berlin.

         

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/bestandsaufnahme-und-perspektive-zur-jugendstrategie-der-bundesregierung

      11. Forderung: Kinderrechte ins Grundgesetz

        Forderung: Kinderrechte ins Grundgesetz

        In einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und renommierter Einzelpersonen fordern Jugendverbände und Landesjugendringe bereits seit geraumer Zeit Bundestag und Bundesrat auf, die Aufnahme der Kinderrechte voranzutreiben und zu einem Abschluss zu bringen.

        Über 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) in Deutschland am 5. April 1992 ist es höchste Zeit für die Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz. Denn bis heute werden bei Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Rechtsprechung die Belange und Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend berücksichtigt. Das hat die Covid-19- Pandemie uns allen zuletzt deutlich gezeigt.

        Wir fordern daher mit diesem Appell die Bundestagsfraktionen und die Bundesländer auf, sich auf ein Gesetz zu einigen, das den Ansprüchen der UN-Kinderrechtskonvention gerecht wird. Eine Grundgesetzänderung muss zu einer Verbesserung der Rechtsposition von Kindern in Deutschland beitragen. Sie darf in keinem Fall hinter die UN-Kinderrechtskonvention, Art. 24 der Europäischen Grundrechtecharta und die geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zurückfallen, die spezifische Kinderrechte gegenüber dem Staat anerkennt.

        Dabei kommt es auf die Aufnahme von ausdrücklichen Kinderrechten in das Grundgesetz in einem eigenen Absatz an, da diese dem Kind bei allem staatlichen Handeln unabhängig zustehen. Eine unmittelbare Verknüpfung mit den Elternrechten würde zu einem vermeidbaren Konflikt zwischen Eltern- und Kinderrechten führen.

        Folgende Elemente sollte die Formulierung enthalten:

        • Das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit;
        • Die Berücksichtigung des Kindeswohls als ein vorrangiger Gesichtspunkt bei allen
        • Entscheidungen, die Kinder betreffen;
        • Das Recht des Kindes auf Beteiligung, insbesondere die Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend Alter und Reifegrad;
        • Das Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung;
        • Das Recht des Kindes auf Schutz, Förderung und einen angemessenen Lebensstandard;
        • Die Verpflichtung des Staates, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen.

        Wir fordern nun eine zügige Einigung unter Einbezug der Zivilgesellschaft einschließlich Kindern und Jugendlichen, die diesen Eckpunkten Rechnung trägt. Denn Kinderrechte gehören ins Grundgesetz – und zwar richtig!

        Mehr Infos: https://kinderrechte-ins-grundgesetz.de/

        Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/buendnis-appell-kinderrechte-ins-grundgesetz-vorantreiben/

      12. #WahlalterSenken… JETZT!

        #WahlalterSenken… JETZT!

        Es gibt keinen Grund, noch länger zu warten: Wahlalter 16 – jetzt!

        Jugendliche sind Träger*innen demokratischer Grundrechte. Sie wollen und können ihre Zukunft selber in die Hand nehmen und eine Politik, die in die Zukunft trägt, mitgestalten. Dies darf man ihnen nicht länger verwehren. Junge Menschen sind in vielfältiger Weise zivilgesellschaftlich engagiert. Sie wollen mitentscheiden, nicht erst nach der kommenden Legislaturperiode, sondern jetzt!

        Deshalb fordern junge Menschen, ihre Interessenvertretungen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen schon lange eine Absenkung des Wahlalters. Aktuell dürfen 16-Jährige in elf Bundesländern bei Kommunal- und in vier Bundesländern bei Landtagswahlen wählen. Warum nicht endlich auch auf Bundesebene?

        Bei der Kommunalwahl wählen zu dürfen war von großer Bedeutung für mich, da ich fähig sein möchte, unsere Zukunft mitgestalten zu können, da die politischen Entscheidungen vor allem in der aktuellen Situation auch mich direkt betreffen. Auch auf Bundesebene wählen zu dürfen wäre ein Zugeständnis an uns jüngere Generationen. (Isabell, 17 Jahre)

        Mir ist es wichtig, dass Jugendliche bereits im Alter von 16 Jahren ihre Stimme abgegeben können, so dass frischer Wind in die Politik kommt. (Theresia, 13 Jahre).

        Warum muss ich bis zur nächsten Wahl warten, wenn ich bereits jetzt etwas verändern kann? Auch meine junge Stimme ist ausschlaggebend! (Anna, 17 Jahre)

        Gerade in der aktuellen Krise wird deutlich, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen nicht krisenfest verankert sind. Die aktuellsten Jugendstudien zeigen einmal mehr, dass junge Menschen sich zu wenig gehört fühlen und mehr Mitbestimmung fordern.

        Die Senkung des Wahlalters noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen, wäre ein wichtiges Signal an junge Menschen. Sie könnten es als Zeichen von Politik und Gesellschaft verstehen, dass ihre Rechte und Bedürfnisse gesehen und berücksichtigt werden.“ (Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Frankfurt & Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes)

        Dieser Forderung haben sich in der letzten Zeit immer mehr Politiker*innen und Wissenschaftler*innen angeschlossen.

        Wenn Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, mit Fridays for Future auf die drohende Klimakatastrophe in internationalem Maßstab hinzuweisen, dann sind sie auch in der Lage, mit 16 Jahren ihren politischen Willen in Deutschland zum Ausdruck zu bringen. Es ist überfällig, Ihnen diese Perspektive zu eröffnen.“ (Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts)

        Die Kampagne #wahlaltersenken des DBJR und vieler weiterer Partner*innen ruft deshalb die demokratischen Parteien im Bundestag dazu auf, noch in dieser Legislaturperiode die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, jungen Menschen ab 16 das höchste Recht in der Demokratie zuteil werden zu lassen: das aktive Wahlrecht. Es gibt keinen Grund, damit noch länger zu warten!

        Für eine Absenkung des Wahlalters braucht es Mut, Willen und politische Mehrheiten. Wir fordern daher eine offene Abstimmung, ohne Fraktionszwang, noch vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021. Junge Menschen wollen nicht bis 2025 warten. Die gesellschaftlichen Herausforderungen sind groß und können nur von allen Generationen gemeinsam gelöst werden.

        Quelle: https://www.dbjr.de/xtra/wahlaltersenken/