Fisch, Pfau & Phönix – Geheimzeichen der ersten Christen

Geheimzeichen der Christen

von Andreas Witt

Wenn eine unbekannte Person dir die linke Hand gibt und dabei den kleinen Finger abspreizt, weißt du, dass dein Gegenüber Pfadinder*in ist. Ebenso kann ein Kleidungsstück, ein Aufkleber oder eine Anstecknadel anderen Pfadis signalisieren: Hey, ich bin Pfadfinder*in! In ähnlicher Weise ist der Fisch­-Aufkleber auf einer Autoheckklappe das Bekenntnis: Ich bin Christ! Doch woher kommt der Fisch als christliches Symbol?

Fisch heißt im Altgriechischen „ΙΧΘΥΣ“ (icthys). Die Deutung und Auflösung dieses Wortes als Akronym (Wortbildung aus Anfangsbuchstaben) für

  • ΙΗΣΟΥΣ (jesous = Jesus)
  • ΧΡIΣΤΟΣ (christos = Christus)
  • ΘΕΟΥ (theou = Gottes)
  • ΥΙΟΣ (yios = Sohn)
  • ΣΩΤΕΡ (soter = Retter/Heiland)

führt uns in die Antike – genauer zu den frühen christlichen Gemeinden in Rom, die von den Aposteln Petrus und Paulus gegründet wurden.

Der Untergrund der ewigen Stadt Rom birgt viele archäologische Geheimnisse aus der Römerzeit: Unheimliche Abwasserkanäle wie die Cloaca Maxima, unterirdische Steinbrüche und geheimnisvolle Nekropolen („Totenstädte“): die Katakomben.

Die Katakomben sind große, unterirdische Friedhöfe. Diese wurden in den relativ weichen Tuffstein hineingegraben – oft in zwei oder drei Etagen untereinander, bis zu 20 Meter tief. Dass hauptsächlich die urchristlichen Gemeinden die Katakomben zur Bestattung nutzten, zeigen eindeutig Symbole wie der Fisch, die Brote, der Anker oder das Christusmonogramm auf den Wandmalereien. Abgesehen von den Bestattungsfeiern trafen sich die urchristlichen Gemeinden vermutlich nicht in den Katakomben. Gottesdienste feierten sie in Privathäusern. Als geheime Verstecke während der grausamen Verfolgung der Christ*innen dienten sie wohl auch nicht: Das Labyrinth verzweigter Stollen dürfte der römischen Stadtverwaltung durchaus bekannt gewesen sein.

Die römische Obrigkeit misstraute zunächst der neuen Religion der Christen. Im Rahmen der verschiedenen Verfolgungswellen bezichtigte sie diese, verabscheuungswürdige Verbrechen wie Kannibalismus oder Inzest zu praktizieren. Derartige fragwürdige Rituale wurden auch über andere geheimnisumwitterte Religionsgemeinschaften berichtet, den sogenannten „Mysterienreligionen“. Hierzu zählen der Mithras­ und der ekstatische Dionysoskult. In den ersten Jahrhunderten war das Christentum lediglich eine von mehreren, offensichtlich recht attraktiven, neuartigen Erlösungsreligionen.

Im „Supermarkt“ dieser fremden Kulte und Religionen bedienten sich die ersten Christen eines Tricks: Sie nutzten als Erkennungszeichen bekannte und verbreitete Symbole wie „Phönix“, „Palme“, „Pfau“ oder „Fisch“ – allerdings in neuer, christlicher Umdeutung. „Phönix“, „Pfau“ und „Palme“ mutierten zu Symbolen für die Wiederauferstehung. Der „Fisch“ bekam vielfältige christliche Deutungen: Er weist zum Beispiel als Wassertier direkt auf die Taufe hin – so wurden damals frisch getaufte Christ*innen gerne auch als „pisciculi“ (=Fischlein) bezeichnet. In Verbindung mit dem Symbol „Brot“ erinnert der Fisch an die „Speisung der Fünftausend“ (Mt. 14.13 –21) und weist auf die christliche Mahl­-Gemeinschaft und das Abendmahl hin. Da uneingeweihte Nicht­-Christ*innen im Fisch ein altes, mythologisches Fruchtbarkeitssymbol sahen, war dieses Zeichen eine clevere Tarnung vor der Verfolgung durch die römische Obrigkeit!

Die ersten Christ*innen nutzten den Fisch als geheime Markierung für ihre Versammlungsorte und als geheimes Erkennungszeichen auf der Straße: Traf ein*e Christ*in auf eine*n Unbekannte*n, zeichnete er*sie einen Bogen auf die Erde. Ergänzte der*die Fremde diesen Bogen spiegelbildlich zum Fisch, war klar: Ich bekenne mich zu Jesus Christus und bin ein Freund.

Funktionierte also genauso, wie der traditionelle Pfadfindergruß mit der linken Hand und dem abgespreizten kleinen Finger!

Symbole der Katakomben

Anker: Im Anker lässt sich auch ein Kreuz erkennen. So bietet das Ankersymbol die Möglichkeit, das Kreuz als „verborgenes Kreuz“ („crux dissimulata“) versteckt abzubilden.

Christusmonogramm: Es setzt sich aus den griechischen Buchstaben Χ (Chi) und Χ (Rho) zusammen und steht für den Namen „Christus“.

Fisch: Neben anderen, vermutlich älteren Deutungen, ist die Auflösung des altgriechischen Wortes „ΙΧΘΥΣ“ (icthys = fisch) als Akronym für „Jesus Christus Gottes Sohn Retter“ die wohl bekannteste Erklärung für das Symbol Fisch.

Hirt*in: Der Hirte erinnert direkt an Christus als den guten Hirten (Joh. 10).

Lamm: Das Lamm symbolisiert Christus, der mit seinem Opfertod die Sünden der Welt auf sich nimmt.

Palme: Palmenzweige als Zeichen des Sieges erinnern an den Einzug Jesu in Jerusalem (Joh 12.13). Die immergrü­nen Palmenzweige symbolisieren ferner die Auferstehung und das ewige Leben.

Pfau: Weil der Pfau im Winter seine alten Federn verliert und dann im nächsten Frühjahr ein deutlich schöneres Federkleid bekommt, symbolisiert er die Hoffnung auf die Auferstehung.

Phönix: Dieser mythische Vogel, der sich selbst verbrennt und dann aus seiner eigenen Asche wiederaufersteht, symbolisiert die Auferstehung Jesu Christi.

Taube: Die Taube hat im Christentum vielfältige Bedeutungen. Meistens verweist sie auf die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer (Mt 3.16).

Schiff: In den Darstellungen der Katakomben symbolisiert das Schiff die Lebensreise. Tertullian deutet unter Bezug auf Mk 4.35–41 das Schiff als Symbol für die Kirche, die den Stürmen der Verfolgung ausgesetzt ist.

Buchtipp

Roberta Russo, Der Baum des Lebens und andere christliche Symbole, Stuttgart 2018 (Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH). In diesem Buch werden 100 christliche Symbole anschaulich, verständlich und fundiert erklärt, u. a. auch die Symbole der Katakomben (S. 72 ff.)

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