Jetzt erst recht! – Arbeitshilfe zur politischen Außenvertretung und Lobbyarbeit für den VCP

Gerade jetzt, da populistische Parteien mit rechtem Gedankengut an politischem Gewicht gewinnen und ihre Parolen und Ideologien verstärkt bei jungen Menschen verfangen, ist es Zeit, in die junge Generation zu investieren – Zeit, Gedanken, Geld und Herzblut. Eine starke Zivilgesellschaft braucht starke Jugendverbände!

Pfadfinden, sowie Jugendverbandsarbeit ganz allgemein, ist dabei ein zentraler Baustein. Wir unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, sich nicht abgehängt zu fühlen, sich durch eine Perspektivlosigkeit lähmen zu lassen oder blind den populistischen Parolen zu folgen. Pfadfinden heißt, spielerisch Stärke und Wirksamkeit zu erfahren, um selbstbewusst Verantwortung anzunehmen und sich damit letzten Endes für eine gerechte, demokratische Gesellschaft zu engagieren.

Auf der Bundesversammlung 2024 haben wir unsere Positionen gegen rechtes Gedankengut, Hass und Hetze sowie für ein demokratisches Miteinander mit weiteren Beschlüssen gestärkt. Angesichts der angespannten finanziellen Lage der Jugend(verbands-)arbeit in den letzten Jahren wurde mit dem Beschluss „Jugendarbeit – Jetzt erst recht“ auch beschlossen, die Anliegen der Pfadfinder*innen sowie ihre finanzielle Unterstützung stärker in Kirchen und der Politik einzubringen. Damit dies auf allen Ebenen gelingt, sieht der Beschluss zudem die Erstellung einer Arbeitshilfe zur politischen Vertretung vor.

Entstanden ist nun dieser Bereich im Blog, der den Anfang markiert und mit der Zeit durch weitere, vielfältige Beiträge und Erfahrungsberichte ergänzt werden soll.

Was ist Lobbyismus?

Lobbyismus bedeutet, politische Kontakte zu pflegen, um unsere Interessen zu vertreten. Ziel ist es, die Politik in unserem Sinne zu beeinflussen. Dabei stellen wir wichtige Informationen und Perspektiven bereit.

Abgrenzung

Lobbyarbeit folgt klaren rechtlichen und moralischen Regeln. Sie basiert dabei auf Kommunikation, ist transparent und unterscheidet sich durch klare Gesetze (z. B. Artikel 9 und 17 GG) von Korruption.

Warum gibt es Lobbyarbeit?

Lobbyismus ist wichtig, um politische Entscheidungen mit Fachwissen zu unterstützen. Jugendverbände wie der VCP bringen ihre Erfahrungen ein, damit die Auswirkungen von Gesetzen besser verstanden werden. Dies ist gesetzlich sogar vorgeschrieben. Lobbyarbeit umfasst:

  • Mitwirkung an Gesetzgebungsverfahren
  • Wissensaustausch durch Gespräche und Papiere
  • Beobachtung politischer Debatten
  • Formulierung und Veröffentlichung von Positionen

Wo passiert was? – Föderalismus

Im deutschen Föderalismus teilen sich Bund und Länder die Macht. Der Bund koordiniert nationale Interessen, während die Länder regionale Besonderheiten berücksichtigen.

Kompetenzen des Bundes (u.a.)

  • Außenpolitik
  • Sicherheit und Verteidigung
  • Verkehr und Einwanderung
  • Sozialpolitik

Länderkompetenzen (u.a.)

  • Bildung und Kultur
  • Polizeiwesen
  • Rundfunk und Wohnungsbau
  • Nahverkehr

Gemeinsame Kompetenzen von Bund und Länder

  • Umweltpolitik
  • Wirtschaft und Steuerwesen
  • Gesundheitswesen
Foto von Claudio Schwarz auf Unsplash
Foto von Claudio Schwarz auf Unsplash

Wie funktioniert die Gesetzgebung in Deutschland?

  • Ein Gesetzesvorschlag kann von der Bundesregierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat eingebracht werden.
  • Der Bundestag berät und stimmt ab, der Bundesrat prüft und kann Einspruch einlegen.
  • Gegebenenfalls vermittelt ein Ausschuss.
  • Nach Prüfung durch die*den Bundespräsident*in tritt das Gesetz in Kraft.

In den Bundesländern läuft der Prozess ähnlich ab.

Wo und mit wem betreiben wir Lobbyarbeit?

  • Mitglieder der Bundes- oder Landesregierungen (Kabinett)
    Das Kabinett besteht aus einem*einer Regierungschef*in (Bundeskanzler*in oder Ministerpräsident*in) sowie den Minister*innen, Staatssekretär*innen und Fachexpert*innen in Referaten und Abteilungen.
  • Bundestags- und Landtagsabgeordnete (MdB und MdL)
    Insbesondere jene, die ihre Fraktionen in entsprechenden Fachausschüssen vertreten (siehe Website des Deutschen Bundestages bzw. des entsprechenden Landesparlaments). MdBs haben ein Abgeordnetenbüro in Berlin und ein Wahlkreisbüro.
  • Bürgermeister*in,  Landrät*in und Beigeordnete
    Landrät*innen sind quasi sowas wie die Bürgermeister*innen eines Landkreises. Sie werden von Beigeordneten (in Großstädten auch von Bürgermeister*innen) mit speziellen Aufgabengebieten unterstützt.
  • Stadt – oder Kreistagsabgeordnete
    Sind in der Regel ehrenamtlich tätig.

[Kürschners Politikkontakte]


Was ist eigentlich Pfadfinden im VCP?

Eine Grundvoraussetzung für wirksame Lobbyarbeit ist es, sprachfähig zu Pfadfinden allgemein und den Strukturen zu sein, in denen sich Pfadfinden in Deutschland bewegt.

  1. Pfadfinden ist Spaß, ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung, Gemeinschaft, Natur- und Klimaschutz, Wertevermittlung, Schutzraum, non-formale Bildung, Learning by Doing, gelebte Demokratie, Verantwortungsübernahme, Freiraum.
  2. Der VCP ist evangelisch geprägt – offen für alle, parteipolitisch unabhängig, demokratisch, ehrenamtlich getragen und geführt, politisch vernetzt (rdp, DBJR, LJR, aej, etc.).
  3. Pfadfinden wirkt! Erfolgreich seit über 100 Jahren, weltweite Bewegung mit ca. 70 Mio. begeisterten jungen Menschen, steigende Nachfrage in Deutschland (Kinder und Eltern) mit aktuell ca. 170.000 Kindern und Jugendlichen (rdp).
  4. Pfadfinden schafft Völkerverständigung, starke Zivilgesellschaft, mündige Bürger*innen, Selbstbefähigung, Problemlösungskompetenzen, Sozialkompetenzen, Demokratieverständnis, Führungskompetenzen, mentale Gesundheit, Bewusstsein für Nachhaltigkeit in allen Säulen.
  5. Gruppenarbeit im VCP hat altersgerechte Formen, Inhalte und Methoden – geschlechtergerecht, demokratisch, abenteuerlich, musisch, kreativ, verlässlich, sicher, verbindlich, verbindend.
  6. Die Situation des VCP ist aktuell wachsend, zeitgemäß, attraktiv für Kinder und Jugendliche, Mangel an Ehrenamtlichen, aktiv gegen Rechtsextremismus, Populismus, Hass und Hetze, engagiert in der Prävention und Aufarbeitung von (sexueller) Gewalt, international ausgerichtet.
  7. Pfadfinden in Deutschland braucht mehr Gruppen und Standorte, um mehr Kinder und Jugendliche zu erreichen, mehr ehrenamtliche Gruppenleitungen, mehr finanzielle Mittel, bessere Förderbedingungen, Wertschätzung ehrenamtlichen Engagements junger Menschen, Anerkennung verbandlicher Qualifizierungen, Lobby, stärkeres Selbstbewusstsein (wir machen tolle Arbeit).

Ziele unserer Lobbyarbeit

Jugendpolitik und politische Bildung sind nur ein Teilaspekt unserer Arbeit. Unsere Aufgabe ist es, die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern, sie zu begleiten und Räume für ein selbstbestimmtes Learning by Doing zu eröffnen.

Geld und Förderung

Auf Bundesebene kämpfen wir schon lange, und immer weiter, um eine bessere finanzielle Ausstattung im Kinder- und Jugendplan der Bundesregierung (Einzelplan 17). Doch in den letzten Jahren gab es immer wieder Ansätze aus der Bundesregierung, diese Mittel zu kürzen. Das selbe gilt für Fördertöpfe auf den Landesebenen. Es gilt, dranzubleiben und die Bedeutsamkeit von Jugend(verbands-)arbeit konstant sichtbar zu machen.

Positionen

Das jugendpolitische Konzept des VCP, das zur BV 2025 vorgestellt wird, dient als Orientierung, spiegelt die Perspektiven des VCP wider und bildet die Grundlage für die Entwicklung seiner Positionen. Zusätzlich enthält es Forderungen, die dauerhaft relevant sind, regelmäßig wiederkehren oder deren Umsetzung noch aussteht, wie beispielsweise:

Foto: Mona Tarray
  • Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz
  • Bessere Förderung und Anerkennung des Ehrenamts
  • Wirksamer Jugendschutz
  • Prävention von (sexualisierter) Gewalt
  • Mehr wirksame Partizipation in politischen Prozessen (u.a. durch Jugendvertretungs- und Jugendbeteiligungsformate)

Vernetzung

Oft geht es gar nicht um konkrete Regelungsverfahren, sondern viel mehr um eine allgemeine Vernetzung. Darum, als Pfadfinder*innen auf dem sprichwörtlichen Radar zu sein. Hierfür ist es wichtig, kurz und prägnant Pfadfinden und seine Bedeutung artikulieren zu können. Auch bietet es sich hier an, das Treffen in einem pfadfinderischen Rahmen stattfinden zu lassen (z.B. Einladung von Entscheidungsträger*innen zu Lagern, Sommerfesten oder sonstigen Aktionen).

Sonstige Ziele

Versucht immer auch einen konkreten Handlungsaufruf (Call to Action) zu artikulieren. Fokussiert euch auf maximal drei Punkte (Botschaften).

Nutzt das jugendpolitische Konzept des VCP und die jugendpolitischen Netzwerke innerhalb und außerhalb des VCP. Dazu gehört die Bundeszentrale und der*die Bildungsreferent*in für Jugendpolitik auf Bundesebene sowie jugendpolitische Arbeitsgruppen auf allen Ebenen des VCP. Weitere Akteure in unseren Netzwerken (insbesondere auf Bundesebene):

  • Jugendpolitische Kommission (JuPoKo) im Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände (rdp)
  • Deutscher Bundesjugendring (und seine Mitgliedsverbände)
  • Arbeitsgemeinschaft evangelische Jugend (aej)
  • WAGGGS und WOSM

Ablauf

1. Auswahl der*des richtigen Adressat*in
  • Überlege, wer für dein Anliegen zuständig ist (MdBs, Bürgermeister*innen etc.).
  • Prüfe Anknüpfungspunkte (z.B. Wahlkreis, Ausschüsse, persönlicher Kontakt, biographische Schnittstellen z.B. selbst auch Pfadfinder*innen, Jugendverbandler*innen o.ä.).
2. Anfrage mit einem formalen Anschreiben an MdB, oder direkte Kontaktaufnahme über Büros
  • Briefkopf verwenden. Als PDF anhängen oder sogar postalischer Versand.
  • Pfadfinden und den VCP kurz einordnen.
  • Das konkrete Thema oder Anliegen klar und verständlich artikulieren.
  • Kontext und Bezug von Pfadfinden oder Anliegen zu Adressat*innen (siehe oben).
  • Ausschlusskriterien sind u.a. Massenmails, ungefragte Zusendung von Infomaterial, fehlender Kontext, unklares Anliegen.
3. Vorbereitung
  • Hintergrundrecherche: Lebenslauf, Mitgliedschaften, sonstige Aktivitäten recherchieren.
  • Gesprächsleitfaden entwickeln:
  • Einleitung: Wer (sind wir), warum (suchen wir das Gespräch), was wollen wir.
  • Fokussiere dich auf maximal drei Kernbotschaften.
  • Plane Rollen im Team und bereite einen Plan B für den Termin vor.
4. Kurz vor dem ausgemachten Termin
  • Melde dich frühzeitig beim Büro vor dem ausgemachten Termin.
  • Nimm alle Unterlagen (Ausweise, Papiere) mit und sei pünktlich (möglicher Sicherheitscheck dauert min. 10-15 Minuten!).
  • Adresse und Eingang vorher klar verabreden.
5. Durchführung
  • Beginne mit einem Eisbrecher und einer kurzen Vorstellung (setz kein Pfadiwissen voraus!).
  • Stelle dein Anliegen präzise vor.
  • Lass Raum für Fragen und Feedback.
  • Behalte die Zeit im Blick und sei geduldig bei Verzögerungen.
  • Denk daran auch ein Foto zu machen.
6. Nachbereitung
  • Dokumentiere das Gespräch.
  • Pflege die entstandenen Kontakte regelmäßig weiter.
  • Berichte in den sozialen Medien oder der Presse, falls sinnvoll.
  • Prüfe ob das Gespräch ggf. im Lobbyregister angegeben werden muss (Infos bei der*dem Bildungsreferent*in für Jugendpolitik in der Bundeszentrale).

Anhang und Materialien

VCP-Blog