Was wir von der Fachtagung Pfadfinden 2025 mitnehmen
Wie hängen Kolonialismus und Pfadfinden zusammen? Eine Frage, die unbequem ist – aber notwendig. Denn auch, wenn Pfadfinden heute für Demokratie, Vielfalt und Gemeinschaft steht, wurzelt die Bewegung historisch in einer Zeit kolonialer Expansion, Machtasymmetrien und rassistischer Weltbilder. Die Fachtagung Pfadfinden 2025 stellte genau das ins Zentrum: Vom 4. bis 6. April diskutierten auf der Jugendburg Ludwigstein rund 100 Teilnehmende, wie sich koloniale Narrative in Geschichte, Praxis und Sprache des Pfadfindens eingeprägt haben – und wie wir heute damit umgehen wollen.
Koloniale Kontinuitäten – international und im eigenen Verband
In Vorträgen von Historiker*innen aus den USA, Österreich und Deutschland wurde deutlich: Pfadfinden war in vielen Kontexten mehr als ein harmloses Freizeitangebot. Die Bewegung bot kolonialen Denkweisen Raum – sei es durch klare Ausgrenzung (wie in Südafrika), subtile Machtverhältnisse (wie in Britisch-Malaya), oder durch ideologisch aufgeladene Selbstbilder in europäischen Jugendverbänden. Besonders eindrücklich war die Analyse des österreichischen Jamborees 1951 – einem Lager, das sich auf einem schmalen Grad zwischen globalem Austausch und kolonialer Völkerschau bewegt hat.
Gleichzeitig wurde klar: Diese Geschichte ist noch nicht wirklich abgeschlossen. Vieles wirkt fort, und zwar in Symbolik, Sprache, strukturellen Ausschlüssen und pädagogischen Routinen. Deshalb ging es nicht nur um Analyse, sondern auch um die Konsequenzen, sie wir daraus ziehen.
Zwischen Dschungelbuch und Bildungsarbeit: Was wir verändern können
Auf der Fachtagung Pfadfinden wurde nicht nur geredet, sondern auch gearbeitet: In verschiedenen Workshops wurde aufgezeigt, dass Veränderung möglich ist und auch bereits passiert. Es ging um rassismuskritische Öffnungsprozesse in Jugendverbänden, um den bewussten Abschied vom Dschungelbuch, um die Frage nach sensibler historisch-politischer Bildung und um die Arbeit mit Archivmaterialien: Die Teilnehmenden erarbeiteten praktische Ansätze und reflektierten, was bereits gelingt – und was noch fehlt. Besonders deutlich wurde: Kinder und Jugendliche brauchen keine „besonders einfache“ oder „unschuldige“ Version von Geschichte – sie brauchen Räume für ehrliche Auseinandersetzung und neue, empowernde Narrative.
Verantwortung übernehmen – auch nach dem Wochenende
In der Abschlussrunde ging es dann natürlich auch um die Frage: Was verändert sich für mich persönlich durch diese Tagung? Viele sprachen davon, ihre Rolle als Multiplikator*innen neu zu denken – nicht als allwissende Erklärbär*innen, sondern als Ermöglichende von Prozessen. Prozesse, die Zeit brauchen, die irritieren dürfen, und die nicht an einem Wochenende abgeschlossen sind.
Was bleibt, ist ein gemeinsamer Anfang. Geteiltes Wissen. Neue Netzwerke. Und der Wille, Verantwortung zu übernehmen – als Pfadfinder*innen, die für alle offen sein wollen, aber dabei die Geschichte nicht ausblenden dürfen.
Eindrücke vom Wochenende findet ihr auf Instagram: @fachtagung_pfadfinden und auf der Website: https://fachtagung-pfadfinden.de/