DBJR-Position: Erwartungen an das Europäische Jahr der Jugend

Der Vorstand des Bundesjugendrings hat am 18.02.2022 die Position „Erwartungen an das Europäische Jahr der Jugend“ beschlossen:

Das Jahr 2022 wurde von der Europäischen Union zum „Europäischen Jahr der Jugend“ ausgerufen. Die Europäische Kommission will zusammen mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Regierungen junge Menschen in den Mittelpunkt stellen. Mit dieser besonderen Aufmerksamkeit soll die Solidarität der jungen Generation während der Corona-Pandemie gewürdigt werden.

Der Bundesjugendring setzt darauf, dass es die EU und ihre Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Jahr der Jugend ernst meinen. Das bedeutet vor allem: Junge Menschen in allen Bereichen wirksam beteiligen! Darüber hinaus müssen im Interesse der Jugend insbesondere die unten stehenden Themenfelder und Prozesse angepackt und von jungen Menschen wirksam mitgestaltet werden.

Das Berücksichtigen der Interessen der jungen Generation darf dabei nicht auf ein Jahr beschränkt bleiben. Sie muss konstante Aufgabe für politische Entscheidungsträger*innen sein. Die Umsetzung der nationalen Jugendpolitik und die der europäischen Jugendstrategie müssen miteinander verbunden werden. Daran arbeitet der Bundesjugendring kontinuierlich als Vertretung von Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Soziale Sicherheit als Voraussetzung zur Beteiligung schaffen

Junge Menschen möchten Politik aktiv mitgestalten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass ihre soziale Sicherheit gewährleistet ist. Die Folgen der Corona-Pandemie haben junge Auszubildende, Studierende und Berufstätige besonders stark getroffen. Unter den jungen Menschen ist die Arbeitslosigkeit überproportional gestiegen. Daher muss das Instrument der EU-Jugendgarantie wirkungsvoll angewendet werden und die aktive Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut Ziel politischer Maßnahmen sein. Darüber hinaus hat die junge Generation hohe Erwartungen an verbindliche Maßnahmen in der Sozial- und Beschäftigungspolitik; mit Zielvorgaben, etwa gemeinsame Standards für Arbeitsbedingungen wie die Abschaffung unbezahlter Praktika, eine flächendeckende Mindestausbildungsvergütung und den erleichterten Zugang zu Bildungsförderung. Darüber hinaus müssen Chancen und Zugänge zu guter formaler und non-formaler Bildung gleichberechtigt für alle gelten.

Mentale Gesundheit von jungen Menschen schützen

Die Zahl junger Menschen, die in ihrer mentalen Gesundheit beeinträchtigt sind, steigt seit Jahren besorgniserregend. Psychische Erkrankungen wie Angst- und Essstörungen, Depressionen und dissoziale Störungen bedeuten eine erhebliche Einschränkung für selbstbestimmtes Aufwachsen und die soziale Teilhabe an unserer Gesellschaft. Deshalb ist die Förderung der mentalen Gesundheit von jungen Menschen eine wichtige politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Angebote zur Aufklärung, Prävention, Intervention und professionellen Behandlung psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen in Deutschland sind massiv unterentwickelt. Deshalb muss eine gesellschaftliche Debatte mit dem Ziel einer Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen angestoßen werden. Eine psychische Erkrankung darf zudem nicht zu einer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt führen. Außerdem ist eine Stärkung insbesondere von Präventions-Strukturen sowie eine deutliche Erhöhung der zur Verfügung stehenden Therapieplätze dringend notwendig.

Schutz und Förderung von demokratischen Strukturen der jungen Zivilgesellschaft umsetzen

Die EU muss ein Garant für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa sein. Die junge Generation erwartet einen entschiedenen Einsatz der EU für Frieden, die Wahrung der Menschenrechte und die Praxis eines solidarischen Miteinanders. Allerdings geraten in Europa die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zunehmend unter Druck. Auch demokratische Jugendverbände sind davon betroffen. Die Handlungsräume für die Zivilgesellschaft dürfen nicht schrumpfen. Im Gegenteil: Demokratische und selbstorganisierte Räume und Strukturen müssen erhalten bleiben, um die wirksame Beteiligung junger Menschen zu gewährleisten. Dafür braucht es verlässliche und unabhängige Förderung für Kinder- und Jugendverbände als selbstorganisierte Interessenvertretungen junger Menschen.

Wirksame Jugendbeteiligung bei politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene sichern

Europäische Politik wird in allen Bereichen für junge Menschen gestaltet. Die Interessen und Forderungen von Jugendlichen müssen gehört und einbezogen werden. Das ist im Rahmen des EU-Jugenddialogs, der Konferenz zur Zukunft Europas und im Europäischen Jahr der Jugend wichtig – und muss zugleich dauerhaft gelten. Junge Menschen müssen qualitativ und wirkungsvoll beteiligt, ihre Anliegen ernst genommen und Diskussionen auf Augenhöhe mit den Entscheider*innen der Politik ermöglicht werden. Darüber hinaus sind neue Gesetze auf die Auswirkungen für die junge Generation zu prüfen. Dies soll in einem europäischen Jugend-Check verstetigt werden.

Beteiligung durch Wahlaltersenkung stärken

Wählen ist das vornehmste Recht aller Bürger*innen in einer Demokratie. Jungen Menschen unter 18 Jahren dieses Recht abzusprechen, ist ein bedeutender Eingriff in die demokratischen Grundrechte ebendieser jungen Menschen. Das muss gut begründet sein. Aus der Sicht des Bundesjugendrings ist eine Absenkung des Wahlalters ein längst fälliger Schritt, um jungen Menschen ihr demokratisches Mitbestimmungsrecht zu gewähren. Deshalb erwarten wir, dass in einem ersten Schritt das aktive Wahlalter für die kommenden Europawahlen auf 16 Jahre gesenkt wird. Perspektivisch sollte das aktive Wahlalter zudem für alle Wahlen in Deutschland in einem ersten Schritt auf 16 Jahre gesenkt werden. Das Wahlrecht sollte dabei nicht vom Erwerb einer deutschen bzw. europäischen Staatsbürgerschaft abhängen, sondern muss sich einzig am Lebensmittelpunkt der in Europa lebenden Menschen orientieren.

Ambitionierte Klima- und Nachhaltigkeitspolitik umsetzen

Europa hat als Kontinent gute Voraussetzungen, die Klimakrise zu bewältigen. Dieser Vorreiterrolle muss die EU in der Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens gerecht werden. Junge Menschen bringen sich stark in die Debatte um Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein. Dabei weisen sie zurecht darauf hin, dass politische Maßnahmen mehr als einen „grünen Anstrich“ benötigen. Es ist richtig, die Greenification – also die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit – in einem umfassenden Verständnis auf europäischer Ebene anzugehen, um einheitliche Regelungen für alle Mitgliedstaaten zu erreichen. Dabei muss auch Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) konzeptionell in formeller und informeller Bildung sowie in den EU-Jugendprogrammen integriert werden. Die wirksame Beteiligung junger Menschen an der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik muss gewährleistet werden.

Digitalisierung jugendgerecht gestalten

Die Bedarfe und Erwartungen junger Menschen als Verbraucher*innen und Produzent*innen müssen bei der Regulierung und Weiterentwicklung in allen Bereichen der Digitalisierung aufgenommen werden. Konkret etwa beim Digital Services Act, dem europäischen Gesetz zur Medienfreiheit oder bei der Verordnung zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Zugleich müssen bei allen Vorhaben zur Digitalisierung der Bundesregierung und bei der Förderung digitaler Jugendarbeit die Interessen junger Menschen eine Rolle spielen: Angebote und Regeln im digitalen und medialen Raum müssen die Souveränität junger Menschen über ihre Daten sichern sowie deren Recht auf Information und Teilhabe aller umsetzen.

Beschlossen vom Vorstand am 18.02.2022.

 

Quelle: https://www.dbjr.de/artikel/erwartungen-an-das-europaeische-jahr-der-jugend 

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