My secret friend

Tamara weinte. Sie hatte sich im dem kleinen Schlafzimmer, welches sie sich mit ihren beiden jüngeren Schwestern Lea und Rahel teilte, zur Wand gedreht und schluchzte leise in ihre dünne Bettdecke. Trotzdem hörte Lea ihre große Schwester durch das Dunkel des Schlafraumes. Sie wollte Tamara ansprechen, ihr etwas Tröstendes zuflüstern, aber ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Was hätte sie denn sagen sollen? War ihr nicht auch zu Heulen zumute? Rahel, die jüngste der drei Schwestern, schien zu schlafen. Oder verharrte sie ebenso wie sie selbst einfach nur ruhig im Bett, ratlos darüber, was sie hätte sagen sollen?

Lea spürte noch den unsagbaren traurigen Blick ihres Vater auf sich ruhen, mit dem er sie angeblickt hatte, als er zuvor noch recht forsch den Wirt fortgeschickt hatte. Sobald der Wirt höhnisch lachend mit den Worten „Du wirst noch zu mir kommen und mich um Hilfe bitten!“ das Haus verlassen hatte, schien der Vater in sich zusammen zu fallen. Zunächst hatte der Vater sie lange mit diesem traurigen Blick angesehen, dann sagte er leise: „Er hat Recht. Lange können wir sein Angebot nicht mehr ausschlagen.“

Sein Angebot… Lea schüttelte sich bei dem Gedanken. Es war klar, dass der Wirt den Schwestern weder eine Stelle als Küchenhilfe noch eine Stelle im Ausschank anbieten wollte. „Sie sind hübsch anzusehen, deine Töchter“, hatte der Wirt gesagt. „Sie werden meinen Gästen sicher gut gefallen. Wenn sie sich geschickt anstellen, werden sie bei mir ein gutes Auskommen haben“. Es war offensichtlich, was er meinte.
Wie konnten sie nur in die Situation kommen?

Ihr Vater war einst ein erfolgreicher Geschäftsmann, der gut verdiente. Ihnen fehlte es an nichts. Noch vor drei Jahren, war sich Lea sicher, eine gute Aussteuer von ihren Eltern zu bekommen, mit der es ihr gelingen würde, eine guten Mann ihrer Wahl heiraten zu können.
Dann aber starb plötzlich ihre Mutter. Ihr Vater wurde vor Kram darüber so krank, dass er bald seine Geschäfte aufgeben musste. Inzwischen waren die Ersparnisse aufgebraucht, alles was Wert hatte, war verkauft und die Familie lebte in großer Armut. Die Mädchen versuchten, mit etwas Gemüseanbau im Garten etwas zu verdienen, aber es reichte hinten und vorne nicht. So kam es häufig vor, dass sie nicht mehr als ein Stück Brot zum Essen hatte. Und ohne Aussteuer war eine Ehe in weite Ferne gerückt. Wer sollte sie bettelarmes Mädchen heiraten wollen?
In ihrem Grübeln fiel Lea in einen unruhigen Schlaf.

Plötzlich schreckte sie auf. Was war das? War da nicht ein Geräusch? Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Aber außer dem gleichmäßigen Atmen ihrer Schwestern konnte sie nichts hören.
Schließlich übermannte Lea erneut die Müdigkeit.
Stunden später war es Lea, die als erste wach wurde. Vorsichtig stand sie auf, um in die Küche zu schleichen und das Wasser aufzusetzen. Plötzlich stieß sie mit ihren Füssen gegen einen harten und kalten Gegenstand, der vor ihr weg rollte. Erschrocken blickte sie auf den Boden. Zwei glänzende Kugeln lagen vor. Eine dritte war etwas entfernt von ihr zum Liegen gekommen. Vorsichtig hob sie eine der Kugeln auf, um sie im fahlen Licht der Morgendämmerung sich anzusehen.
War das Gold? – Das war Gold!

Aufgeregt, lief Lea zu ihrem Vater. „Vater, Vater, sieh mal!“ Müde richtete sich der Vater auf. „Mädchen, was ist denn?“ „Sieh mal!“, Lea zeigte ihm die Kugeln, die ihr Vater ungläubig entgegennahm. „Aber Mädchen, wo sind die Kugeln her?“, fragte er mit tonloser Stimme. Und ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort, „Weiß du, was das bedeutet?“ „Das wir nicht beim Wirt anschaffen müssen“, kam die klarer Stimme ihrer jüngeren Schwester von der Tür. Sowohl Tamara als auch Rahel standen dort und beobachteten die Szene zwischen Vater und Lea. Rahel ergriff die Hände von Tamara und tanzte mit ihr im Kreis: „Wir sind frei, wir sind frei!“ jubelte sie.

Heute ist Nikolaus. Um den Bischof Nikolaus von Myra, der im 4.Jahrhundert lebte, ranken sich zahlreiche Legenden. Eine von denen ist die hier nacherzählte Geschichte. Nikolaus wird in allen Legenden als sehr selbstloser Mann beschrieben, der das Leid seiner Mitmenschen hilft und zum Teil sehr unkonventionell hilft.

Mir gefällt an der Geschichte, dass Nikolaus mit seinem Geschenk gar nicht in Verbindung gebracht werden will. Er möchte keinen Dank oder gar irgendeine Gegenleistung. Sein Geschenk ist bedingungslos. Und es verändert das Leben einer ganzen Familie zum Positiven.

Sei auch du heute der Nikolaus. Suche dir eine Person aus deinem Umfeld raus. Nicht eine, die du ohnehin zu Nikolaus beschenken würdest. Sondern die Nachbarin von gegenüber, der Kollege, die Postbotin oder Kassier an der Kasse. Und tue dieser Person etwas Gutes. Stelle der Nachbarin einen Schokonikolaus vor die Tür, bring dem Kollegen einen Kaffee, biete der Postbotin etwas zur Stärkung an und lobe den Kassier für seine Ausdauer und Geduld in seinem Job – und du veränderst den Tag dieser Person zum Positiven.

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